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Anderthalb Jahre nach der Wiedereröffnung des Objektes gibt es Diskussionen um die Finanzierung der Sanierung Frist verlängert: Muss die Stadt bald als Bürge für die Jahnhalle einspringen?

Von Claudia Labude 07.04.2011, 04:33

Vor ihrer heutigen regulären Sitzung, trafen sich die Stadträte kürzlich auch außerordentlich. Ein einziges Thema stand auf der Tagesordnung – die Verlängerung der Bürgschaft für die Jahnhalle. Und darüber wurde äußerst kontrovers diskutiert. Denn bisher fehlt die endgültige Abrechnung. Ohne die gibt es keine Fördermittel, die der Taekwondo-Verein als Bauherr zur Kredittilgung braucht. Im schlimmsten Fall muss die Stadt als Bürge einspringen – und knapp 500000 Euro zahlen.

Wolmirstedt. Zwar wird die sanierte Jahnhalle schon seit ihrer Wieder-Eröffnung im Oktober 2009 von den Taekwondo-Sportlern sowie den Mitgliedern des Gesundheitszentrums "Speed" rege genutzt. Dennoch diskutiert der Stadtrat seit mehr als einem Jahr – und das meist im nichtöffentlichen Teil – immer noch über die Finanzierung des Projektes.

Rückblick: Noch in D-Mark wurden die ersten Investitionen für die Jahnhalle angegeben. Unter anderem im Haushaltsplan 2001 hatte man Gelder eingestellt, um die frühere Sporthalle zu sanieren. Jahrzehntelang gehörte sie zu den ungelösten Immobilienproblemen der Kommune und bildete einen Schandfleck mitten im Innenstadtbereich. 2007 wurde ein Nutzungskonzept geprüft, das der Taekwondo-Verein für das Objekt eingereicht hatte. Am Ende bekam der Verein den Zuschlag. Die Hoffnung in der Stadt war groß, dass dadurch der optische Missstand direkt an einer der meistbefahrenen Straßen der Stadt verschwindet – durch eine Investition von rund 1 Million Euro.

2008 wurden die Pläne konkreter, erste Beschlüsse gefasst. Der Taekwondo-Verein hatte für das ehrgeizige Projekt 185 000 Euro an Eigenmitteln aufzubringen. Da das nicht machbar war, half die Stadt mit einer nicht rückzahlbaren Projektförderung in Höhe von 150 000 Euro aus. Sachsen-Anhalts Bauminister Karl-Heinz Daehre brachte Anfang Juni 2009 den Fördermittel-Scheck mit mehr als 770 000 Euro vorbei. Das Geld teilten sich EU, Bund, Land und Kommune.

Während im Inneren der Halle fleißig gewerkelt wurde, war das Bauvorhaben im Oktober 2009 erneut Thema im Stadtrat. Dort beschloss man – ebenfalls nach nichtöffentlicher Diskussion – eine Bürgschaft der Stadt gegenüber der Volksbank Magdeburg für den Taekwondo-Verein. Inhalt der Bürgschaft war ein Kredit über 530 000 Euro. Dieser sei zweckgebunden für die Zwischenfinanzierung der bewilligten Fördermittel sowie der beim Landesverwaltungsamt beantragten Mehrkosten des Projektes.

Zwischenzeitlich hatten sich nämlich Mängel in der Bausubstanz gezeigt, mit denen man vorher nicht gerechnet hatte. Bürgermeister Dr. Zander erklärte damals, dass Kreditaufnahme und Bürgschaft ein "normaler Vorgang" seien, um zeitweilige Finanzierungslücken zu schließen. "Die Fördermittel fließen schließlich erst, wenn die Rechnungen vorliegen", hieß es damals vom Stadtoberhaupt.

"Es geht schließlich um eine halbe Million Euro"

Diese 2009 erwähnte Zwischenlösung dauert nun schon gut anderthalb Jahre. Bis zum 31. Dezember 2009 hatte der Verein von der Kreditsumme bereits 525 500 Euro in Anspruch genommen.

Kurz vor Ablauf der Frist, im August 2010, beschloss der Stadtrat die Verlängerung der Bürgschaft bis zum 31. März 2011. Hier widersprach erstmals die Kommunalaufsicht und erlaubte eine Verlängerung nur bis 31. Dezember 2010. Laut aktueller Beschlussvorlage hat die Kommunalaufsicht offenbar später ihre Meinung geändert und dem Wunsch auf Fristverlängerung bis 31. März 2011 entsprochen.

Wie jetzt erstmals öffentlich verkündet wurde, konnte auch diese Frist nicht eingehalten werden. Öffentlich will sich kaum einer der Stadträte zu den Finanzierungsproblemen äußern. Es heißt, die Zuständigen – in der Hauptsache die Stadtverwaltung und der Verein – würden sich die Schuld für die Misere gegenseitig zuschieben. So ähnlich klingt es auch in der zweiseitigen Begründung der Problemlage, die dem aktuellen Beschluss der Fristverlängerung für die Bürgschaft beiliegt.

Zahlreiche Ungereimtheiten würden sich im Rückblick auf die Sanierung ergeben. Hauptproblem ist, dass bisher keine Schlussrechnung vorliegt. Die ist aber entscheidende Voraussetzung für die Zahlung der noch ausstehenden Fördermittel. Ohne Fördergelder kann der Verein den Kredit nicht zurückzahlen. "Die Stadt sagt, dass der Verein die Rechnung nicht vorgelegt hätte. Von dort hört man aber, dass alle Unterlagen an die Verwaltung weitergegeben wurden", erklärt ein Stadtrat, der namentlich nicht genannt werden will, gegenüber der Volksstimme. Bisher hätte man sich im Rat keine größeren Gedanken zu den Fristverlängerungen gemacht, da es – gerade bei größeren Bauprojekten – immer wieder zu zeitweisen Finanzierungsengpässen kommen könnte. Nun wolle man aber endlich Klarheit, drängen die Stadträte auf einen Abschluss des Vorhabens.

Die Stadt begründet die erneute Fristverlängerung damit, dass man nun den Sanierungsträger DSK mit der Erstellung einer solchen Schlussrechnung beauftragt hätte. "Anhand dieser internen Schlussrechnung wird der Verein aufgefordert werden, die fehlenden Unterlagen und Erklärungen beizubringen." Und dafür müsse man ihm Zeit gewähren. "Im Interesse einer Schadensbegrenzung für die Stadt" hätte man deshalb auch erneut mit der kreditgebenden Bank Gespräche geführt und Einvernehmen über die Verlängerung hergestellt, heißt es in der Beschlussvorlage.

Fakt ist: Wird irgendwann keine Verlängerung mehr erlaubt, wird die Bank den Kredit über 530000 Euro fällig stellen und die Stadt in die Zahlungspflicht nehmen. Das steht auch – als noch ungeklärtes und deshalb im schlimmsten Fall zu befürchtendes Szenario – im aktuellen Haushaltsplan. Durch die Fristverlängerung allein entstehen der Stadt noch keine Kosten, da der Verein als Kreditnehmer wie bisher die Zinskosten trägt.

Bei der außerordentlichen Stadtratssitzung fasste Zander noch einmal kurz das bisher Geschehene in groben Zügen zusammen und bat die Räte, der Verlängerung zuzustimmen. Doch ein Großteil der 19 Anwesenden wollte das nicht unkommentiert tun.

"Hier ist eine Sache für uns nicht mehr klärbar"

"Es gibt hier zwei Sichtweisen – die von der Stadt und die vom Verein. Und dazwischen gibt es einen Haufen Unstimmigkeiten", bilanzierte Uwe Claus (CDU) und ergänzte, dass es nun wichtig sei, "den Prozess zu einem positiven Ende zu bringen". Der Fraktionsvorsitzende stellte deshalb den Antrag, eine Arbeitsgruppe oder einen zeitweiligen Ausschuss zu gründen, der diese Angelegenheit begleitet. Das hatte zuvor auch Finanzausschussvorsitzender Martin Stichnoth angeregt. "Es geht schließlich um eine halbe Million Euro", so Claus. "Ist es nicht möglich, den Wortlaut der Fristverlängerung auf ¿möglichst bis 30. Juni, aber nicht länger als bis zum 30. September‘ zu verändern?", fragte Heinz Maspfuhl (SPD). Er dachte dabei an auch die Zinslast für den Verein.

Weniger milde zeigte sich Albrecht Greiser (SPD). Er erinnerte daran, dass er bereits im November des Vorjahres im Bau- sowie im Finanzausschuss den Antrag gestellt hatte, staatsanwaltliche Ermittlungen einzuleiten, um dieser Sache Herr zu werden. Gegenseitige Schuldzuweisungen, nicht untersetzte, größere Geldbeträge sowie zahlreiche Nachlässigkeiten innerhalb des gesamten Prozesses hätten laut Greiser dazu geführt, "dass hier eine Sache nicht mehr klärbar ist".

"Der Staatsanwalt wäre aktuell noch kontraproduktiv"

"Entweder wir verlängern heute oder die Bürgschaft platzt", machte Rüdiger Strümpf (CDU) die Alternativlosigkeit der Stadtratsentscheidung deutlich. "Wir haben gar keinen Spielraum, auch wenn jeder seine Bedenken hat."

"Ich bezweifle die Handlungsfähigkeit solch einer AG. Darin können wir auch wieder nur Dinge feststellen. Und der Stadtrat sollte nicht für etwas geradestehen, woran er keine Schuld trägt. Dafür gebe ich nicht meinen Namen her", meldete sich Albrecht Greiser erneut zu Wort. Gisela Gerling-Koehler versuchte, dessen Emotionen zu beruhigen. "Der Antrag auf Einschaltung der Staatsanwaltschaft könnte uns zum jetzigen Zeitpunkt mehr schaden als nützen. Die Möglichkeit der Übergabe an die Staatsanwaltschaft bleibt ja. Zum Beispiel, wenn der Ausschuss gravierende Mängel feststellt. Wenn jetzt Akten beschlagnahmt würden, wäre das ja kontraproduktiv", so die Glindenberger Ortsbürgermeisterin.

Nur Thomas Spelsberg (Linkspartei), Sebastian Filipp (Linkspartei) und Albrecht Greiser stimmten anschließend gegen die Bildung eines Ausschusses. Die Mehrheit war dafür, dass eine Gruppe mit den Fraktions- und Ausschussvorsitzenden gegründet wird, um die Problematik objektiv zu begleiten. "Wir müssen jetzt die Zügel in die Hand nehmen", animierte Christina Laqua, die als Vorsitzende des Kultur- und Rechtsausschusses besonderes Interesse daran hatte, dass dieser Vorgang, den sie auch in der Zuständigkeit ihres Ausschusses sieht, schnell zu einem positiven Ende gebracht wird.

Deshalb hoben am Ende auch alle 19 Stadträte ihre grüne Karte und stimmten für die Fristverlängerung. Wird der Zeitpunkt von der Kommunalaufsicht genehmigt, haben die Verantwortlichen bis 30. September Zeit, die Karten beziehungsweise Akten auf den Tisch zu legen und so alle Unklarheiten zu beseitigen.