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Martina Marczok-Stück engagiert sich beruflich und vor allem privat stark für das Ehrenamt Hilfe in der ersten Stunde, in der man neben sich steht

Von Judith Kadow 18.01.2014, 01:18

"Du bist spitze!" Sechs Kandidaten bewerben sich um den Titel "Lokalmatador 2013". Den Sieger ermitteln einzig die Volksstimme-Leser mit dem Abstimmungs-Coupon. In den nächsten Wochen stellen wir alle Kandidaten mit ganz persönlichen Geschichten vor. Heute: Martina Marczok-Stück.

Zerbst l "Warum denn ich? Ich bin doch gar keine Zerbsterin!" Mit dieser Gegenfrage konterte Martina Marczok-Stück die Anfrage der Redaktion, ob sie bei der diesjährigen Ausgabe von "Du bist spitze" mitmachen möchte. Warum sie geeignet ist? Weil es um Menschen geht, die sich für andere einsetzen, die das gesellschaftliche, kulturelle Leben mitgestalten - und das ehrenamtlich. Das trifft auf Martina Marczok-Stück ohne weiteres zu.

Zwar ist sie von Hause aus als Leiterin des Zerbster Standortes der Kreisvolkshochschule Anhalt-Bitterfeld ohnehin stark in die Vereinsarbeit integriert, doch eben etwas mehr, als ihre Stellenbeschreibung es verlangt. Ob 3000 Schritte, der Seniorentag oder das Vereinsforum - Martina Marczok-Stück ist dabei und geht vorne weg, wenn es sein muss.

Sie macht es aus Überzeugung und weil sie wohl auch nicht anders kann. "Meine Intention ist, dass ich an die Bürgergesellschaft glaube." Das heißt nun einmal auch, dass die Bürger ihr gesellschaftliches Umfeld selbst gestalten müssen - gerade in Zeiten knapper öffentlicher Finanzmittel. "Viele beteiligen sich nicht mehr am gesellschaftlichen Leben. Für mich ist das der falsche Weg. Wir müssen unser Umfeld gemeinsam gestalten." Und statt der Familie sei dafür eben der Verein die richtige Keimzelle. "Daran hängt einfach mein Herzblut."

Martina Marczok-Stück ist nicht nur gut mit hiesigen Vereinen vernetzt. Sie kennt deren Nöte und Sorgen aus eigenem Erleben. Sie ist selbst ehrenamtlich tätig. Seit fast 23 Jahren ist sie für die IHK Halle-Dessau in vier Prüfungsausschüssen aktiv. Viele Jahre war sie Vorstandsmitglied in einem Bürgerverein.

Für den DRK-Kreisverband Bitterfeld-Zerbst/Anhalt ist sie - wie auch ihr Mann - im Kriseninterventionsteam als Notfallbegleiter tätig, hat 2013 einen weiteren Lehrgang für die Einsatzkräfte-Nachsorge absolviert und ist Mitglied im Verein "Sternenkinder Anhalt-Bitterfeld". Aufgaben, die ans Herz gehen, da der Tod fast ständiger Begleiter dieser Ehrenämter ist.

Der Verein "Sternenkinder" betreut im Altkreis Bitterfeld Eltern, die ihre Kinder während der Schwangerschaft verloren haben, als diese noch weniger als 500 Gramm wogen. "Im vergangenen Jahr haben wir auf dem Friedhof in Bitterfeld eine Fläche über 30 Jahre gepachtet und damit ein massives Finanzproblem zu stemmen gehabt, das dank Sponsoren und dem sehr hohen Engagement der Mitglieder mit vielen Veranstaltungen gelöst werden konnte." Ziel ist, den Eltern einen Ort zu geben, an dem sie trauern können. "Geplant ist, einmal im Jahr dort eine Bestattung der Kinder vorzunehmen, auch wenn für diese Kinder keine Bestattungspflicht existiert. Die erste Bestattung ist für September 2014 vorgesehen." Das Angebot zur Hilfe nehmen nicht nur junge Eltern an. "Auf mich kam zum Beispiel einmal eine ältere Dame zu, die vor vielen Jahren ihr Kind verlor. Noch immer arbeitete dies in ihr. Bei uns fand sie einen Anlaufpunkt, der ihr half", erinnert sich Martina Marczok-Stück.

Gutes zu tun, das war für sie schon immer eine Philosophie, die sie lebte. Dass Martina Marczok-Stück heute ehrenamtliche Notfallbegleiterin ist, beruht auf privatem Erleben. "Es gab eine Situation vor vielen Jahren, da habe ich mir gewünscht, einen solchen Ansprechpartner im Notfall zu haben. Jemanden, der in der ersten Stunde, in der man neben sich steht, für einen da ist", erzählt die Wolfenerin. Dann liest sie von diesem Lehrgang in der Zeitung. Zusammen mit ihrem Mann schaut sie sich das Dessauer Notfallbegleiter-Team an - was dieses Ehrenamt bedeutet, wie die Arbeit funktioniert. "2011 haben wir dann den Lehrgang absolviert." Seitdem ist das Ehepaar in einem Team mit weiteren Notfallbegleitern im 12-Stunden-Bereitschaftsdienst im Einsatz. Für Martina Marczok-Stück ist dies meist am Wochenende oder nachts der Fall.

"Es beginnt immer mit einem Anruf von der Leitstelle." Manchmal fahren die Notfallbegleiter zum Unfallort, im Fall vom Tod im häuslichen Umfeld zum Wohnort, manchmal begleiten sie die Polizeibeamten, wenn diese einer Familie den Verlust eines Angehörigen übermitteln müssen. Wird die traurige und schockierende Nachricht überbracht, steht Martina Marczok-Stück den Familienmitgliedern zur Seite - und an deren Seite. "So zeige ich von Beginn an, dass ich für sie da bin."

Manchmal dauert ein Einsatz dann eine Stunde oder auch viel länger. "Eben so lange es notwendig ist." Vor allem Schicksale, in die Kinder involviert sind, machen Martina Marczok-Stück betroffen. "Allerdings darf man das nicht mit nach Hause nehmen. Wir haben ein Ritual, mit dem wir versuchen, das Erlebte abzustreifen, wenn der Einsatz zu Ende ist. Darüber hinaus werden wir von der Kraft unseres einmaligen Teams aufgefangen und können sehr emotionale Ereignisse in Supervisionen verarbeiten. " Am Anfang ihrer Tätigkeit bezweifelte sie, dass man spüren kann, wann der Moment kommt, an dem man sich von den Betroffenen verabschieden kann. "Doch jetzt weiß ich, es gibt ihn. Man kann das spüren."

Auch wenn diese Ehrenämter viel abverlangen, sieht sie Martina Marczok-Stück nicht als belastend an. Auch nicht als negativ. "Sie sind eine Option zu helfen, und das ist mir wichtig."

Und der berufliche Alltag: Er ist ein guter Gegenpol zu diesen Aufgaben. Die Arbeit ist abwechslungsreich, man hat mit Menschen zu tun, kann eigene Ideen umsetzen. Über ihre Ausbildung zur Diplom-Betriebswirtin im Gaststätten- und Hotelwesen gelangte die gebürtige Harzerin in die Erwachsenenbildung. Seit 1994 war sie in Bitterfeld im Einsatz, bis mit der Kreisgebietsreform 2007 die Kreisvolkshochschule Anhalt-Bitterfeld gebildet wurde. "So kam ich nach Zerbst. Ich habe mich für die Standortleitung bereit erklärt, seitdem bin ich hier." Für Zerbst kann das auch zukünftig nur ein Vorteil sein.