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Ausfuhrsperre würde langjährige Wirtschaftsbeziehungen auch zu Russlands Nachbarn gefährden Schraubenwerk warnt vor Sanktionen gegen Russland

Von Thomas Drechsel und Tobias Dachenhausen 22.03.2014, 01:16

Zerbst l Aus Protest gegen die Abspaltung der Krim treibt der Westen die Isolierung Russlands voran. Sanktionen werden schärfer. Dass dieses Gebaren auf der Ebene der Weltpolitik auch Auswirkungen auf die Stadt Zerbst hat, zeigt sich in der Wirtschaft.

Die Schraubenwerke vor Ort pflegen wirtschaftliche Beziehungen nach Osteuropa. "Ich könnte mir schon vorstellen, dass Sanktionen gegen Russland sich auf unser Unternehmen negativ auswirken", sagt Eckhard Schmidt, Geschäftsführer der Schraubenwerke Zerbst GmbH. Das Unternehmen habe allein im Jahr 2013 rund vier Millionen Schwellenschrauben - das traditionelle Stammprodukt der Schraubenwerke - nach Kasachstan und Russland geliefert. "Es gibt erhebliche gemeinschaftliche Infrastrukturprojekte von Kasachstan und Russland. Russland ist mit den baltischen Staaten und Kasachstan durch Zollabkommen verbunden. Also würden Sanktionen gegen Russland genauso wirken, als wären sie gegen die Länder dieser Zollunion gerichtet." Schmidt sagt aber auch: "Ich bin mir über Auswirkungen eventueller Wirtschaftssanktionen momentan nicht ganz im Klaren. Das Ganze ist sehr unübersichtlich." Seit vier Jahren beliefern die Schraubenwerke - jeweils über andere deutsche Großausrüster - russische Schienenbauprojekte, nach Kasachstan wird schon seit zehn Jahren geliefert. "Doch eines steht fest: Wenn sie die Sanktionsspirale weiter drehen, dann tut die Politik der deutschen Wirtschaft absolut keinen Gefallen. Wenn wegen Sanktionen gegen Russland im Gegenzug der Warenbezug aus Deutschland ausgesetzt wird, kann dies ganz schnell den Totalverlust des Auftrages bedeuten. Die könnten auch ganz schnell aus China beziehen." Die Schraubenproduktion für Kasachstan und Russland nimmt, so Schmidt, rund zehn Prozent der Werksproduktion ein.

Wirtschaft soll als Moderator und Multiplikator fungieren

Die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer hat ein sogenanntes Memorandum zur Situation Ukraine-Russland-Europa herausgegeben. Darin wird betont, dass man trotz der jetzigen Situation Projekte weiterführen und das Vertrauen erhalten solle. Die Wirtschaft soll laut Auslandshandelskammer als Moderator und Multiplikator fungieren. Dennoch blicke man mit Sorge auf die Entwicklung des Verhältnisses zwischen der Ukraine und der Russischen Förderation. "Beide Staaten müssen an den Verhandlungstisch", heißt es in dem Memorandum.

Nach Auffassung der Auslandshandelskammer führe die aktuelle Situation zu einem Vertrauensverlust bei internationalen Investoren und Anlegern, um die Russland in den vergangenen Jahren intensiv und teilweise recht erfolgreich geworben hat. Wahrscheinlich seien Verzögerung oder Stornierung einzelner Investments und Projekte. Deshalb spricht sich die Auslandshandelskammer klar für eine Weiterführung der Projekte aus. "Ziel der involvierten Parteien muss eine schnellstmögliche, friedliche Lösung und eine Deeskalation der Situation sein", so steht es im Memorandum.

Die Kammer rät vorerst von wirtschaftlichen Sanktionen ab. Diese seien weder real durchsetzbar noch würden sie die gewünschte Wirkung erzielen. "Die Abhängigkeit von Rohstoffen ist beiderseitig stark ausgeprägt. Die Europäische Union ist ebenso auf die Öl- und Gaslieferungen angewiesen wie Russland auf deren Bezahlung in Devisen", teilt die Auslandshandelskammer mit. Deutsche aber auch russische Unternehmen hätten ein vitales Interesse an einer Rückkehr zur Normalität und freien, offenen Märkten und möglichst wenig Beschränkungen der Handelstätigkeit.