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Die Liebhaber der Zerbster Denkmäler öffneten am Sonntag die Türen für Hunderte Gäste Vom Schlaraffenland zur Schlachtemolle

Von Franziska Ellrich 15.09.2014, 03:34

Ob im Glockenturm der St. Nicolai, im Keller des Schlosses, in den Gängen des Francisceums oder am Mühlenrad am Weinberg - am Denkmaltag öffneten sich Türen.

Zerbst l Bartek Iwrzesinski lebt in Hannover und Bastian Brombach in Potsdam. Die Mitte ist Zerbst. Und dort trafen sich die befreundeten Studenten am Sonntag, um am Tag des offenen Denkmals zwischen den ältesten Gemäuern der Stadt zu wandeln. Erster Halt: Die Francisceumsbibliothek. Dort zeigt Petra Volger den jungen Männern einen holländischen Atlas aus dem Jahr 1720. Bartek sucht nach seiner Heimatstadt Danzig.

Und Geschichtsstudent Bastian schaut sich noch einmal genauer die farbige Zeichnung vom Schlaraffenland an. Er ist begeistert: "Hier darf man anfassen und blättern, das ist sonst in so alten Büchern nicht erlaubt." Biliotheksmitarbeiterin Iruta Völlger führt die Gäste an den meterhohen Bücherregalen in den Klostergemäuern entlang. "Wir haben heute extra Bücher rausgesucht mit vielen farbigen Motiven." Denn das Thema des Denkmaltages: Farbe. Völlger blättert in einem Herbarium mit handcolorierten Kupferstichen aus dem 18. Jahrhundert. "Das sind alles Unikate." Bartek und Bastian werfen noch einen letzten Blick in die Glasvitrine. "Das ist unser ältestes Buch aus dem 10. Jahrhundert", so Petra Volger.

Die Studenten ziehen weiter. Nächster Stopp: das Zerbster Schloss. Im erhaltenen Ostflügel sind alle Bierbänke besetzt. Und die Führungen durch die Kellerräume reißen nicht ab. "Wir haben extra eine Küche wieder hergerichtet", sagt Dirk Herrmann, Vorsitzender des Fördervereins. Die neunjährige Svenja Reifarth ist begeistert. Zinkgeschirr, Schlachtemolle und Wassereimer: Die Vereinsmitglieder haben im Untergeschoss eine Zeitreise ins 17. Jahrhundert möglich gemacht. "Ein Großteil der Utensilien kommen vom Flohmarkt oder haben wir im Internet gefunden", sagt Herrmann.

Weiter geht es zur Stadtkirche St. Nicolai. Schon von weither sind die Glocken zu hören. Um punkt 14 Uhr ertönen alle fünf zu einem gemeinsamen Spiel. Das gibt es sonst so nicht. "Wir haben extra bei der Kirche nachgefragt, ob das am Tag des offenen Denkmals möglich ist", erklärt Heinz-Jürgen Friedrichs vom Förderverein. Und das Ergebnis war nicht zu überhören. Der Zerbster Conrad Völlger stand zum Glockenspiel auf dem Turm. "Das hat richtig auf dem Brustkorb vibriert, aber der Klang ist beeindruckend." Die Größte der Glocken stammt aus dem Jahr 1378 und wiegt 4500 Kilogramm. "Auf der bin ich als Kind schon geklettert", erinnert sich Vereinsmitglied Manfred Amhaus. Und gestern wurde die Größte in ganz Anhalt nur mit einer kleinen Fernbedienung zum Schwingen gebracht.

Im Sammeltassen-Café im Francisceum schwingt derweil Elftklässlerin Lena Neuber den Kuchenheber. Der 17-jährige Jonas Döhring wäscht ab und Mitschülerin Annika Ludwig schenkt den Kaffee aus. Alle Drei gehören zur Schülerfirma, die das Café betreibt. Sigrid Reinert ist zum ersten Mal zu Gast und begeistert: "Mein Baiserkuchen hat sehr lecker geschmeckt." "Alles selbstgebacken", erklärt Lena stolz.