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Simone Trieder und Lars Skowronski stellen der Klasse 10/1 des Francisceums ihr Buch "Zelle Nr. 18" vor Eine bewegende Geschichtsstunde

Von Helmut Rohm 17.11.2014, 01:24

Die Schicksale dreier junger Frauen beschäftigten Schüler des Francisceums in Zerbst in der vergangenen Woche. Das Autorenduo Simone Trieder und Lars Skowronski stellte dort ihr Buch "Zelle Nr. 18" vor.

Zerbst l "Zelle Nr. 18" ist der Titel eines im Juni 2014 erschienen Buches. Die beiden Autoren, die Schriftstellerin Simone Trieder und der Historiker Lars Skowronski, stellten ihr Werk mit dem Untertitel "Eine Geschichte von Mut und Freundschaft" den 23 Schülerinnen und Schülern der Klasse 10/1 des Zerbster Gymnasium Francisceum in einer emotional bewegenden Lesung vor. Die im Veranstaltungsraum des Museums aufmerksam zuhörenden Jugendlichen konnten die authentischen Schicksale der drei im Jahr 1943 inhaftierten jungen Polinnen nachvollziehen, die wegen der Zusammenarbeit mit dem polnischen Untergrund verhaftet und verurteilt wurden. Krystyna Wituska (23), Maria Kacprzyk (21) und Lena Dobrzycka (21) warteten in der Zelle Nr. 18 des Berliner Gefängnisses in Moabit auf die Bestätigung und Vollstreckung ihrer Urteile. Doch dort gab es auch die kriegsdienstverpflichtete deutsche Wärterin Hedwig Grimpe, die den Häftlingen Essen, Medikamente, auch Zigaretten zusteckte. Das hätte, so Lars Skowronski, bei Bekanntwerden eine hohe Strafe, wenn nicht sogar den Tod, bedeutet. Und es gab deren 16-jährige Tochter Helga. Mit Hilfe ihrer Mutter kam es zu einem regen, wiederum heimlichen, sehr persönlichen Briefwechsel zwischen der deutschen Jugendlichen und den drei jungen polnischen Frauen, dem "Kleeblatt". Die Polinnen gaben Hedwig Grimpe den Decknamen "Sonnenschein", Helga war "Teddybär". Während Helgas Briefe nach einem im Buch beschriebenen Leseritual vernichtet werden mussten, sammelte Helga die aus der Zelle geschmuggelten Briefe in einem "Kleeblattalbum".

Helga wollte dieses Album hinüber retten in "die neue Zeit ohne Hitler, ohne Krieg und Morden". Lars Skowronski zeigte den Originalbrief von Maria Kacprzyk, den sie 2003 an die Hallenser Justizanstalt richtete, um mehr über das Schicksal und das Grab ihrer am 26. Juni 1944 in Halle hingerichteten Kleeblatt-Freundin Krystyna Wituska zu erfahren. Als fünf Jahre später die Hallenser Autorin Simone Trieder in Gesprächen mit dem in Halle tätigen Historiker von den inzwischen veröffentlichten Briefen Kenntnis erhält, "reift die Idee, eine gemeinsames Buch zu schreiben". Auf der Grundlage von Briefen sowie offiziellen Dokumenten wie Prozessunterlagen und Gnadengesuchen, persönlichen Gesprächen mit Zeitzeugen und intensiven Recherchen schufen die beiden Autoren ein sehr aussagekräftiges Zeitdokument in einer spannungsvollen Symbiose von konkreten persönlichen Erlebnissen der jungen Frauen und aussagekräftiger Dokumentation.

Das Buch schildert sehr nachhaltig und detailreich unter anderem den Gefängnisalltag, erzählt von der Spionagearbeit der junge Polinnen, berichtet von Vorgängen im Gericht, auch von der Zuversicht, dem gegenseitiges Mutmachen, einer engen Freundschaft und auch Mut zu selbstlosem Helfen. Den Schülern berichten die beiden Autoren von ihrem Treffen mit der inzwischen 89-jährigen Maria Kacprzyk in Gdansk. "Sie hat uns 120 Seiten überaus detailreicher Erinnerungen überlassen." Mit Video- und Audio-Sequenzen, wie etwa aus dem dreistündigen Interview mit der in Paris lebenden 90-jährigen Olga Jedrkiewicz, konnten die Schüler hautnah in die Zeit vor etwa 70 Jahren eintauchen. Es wurde ganz still im Raum, als Simone Trieder aus dem Abschiedsbrief Krystyna Wituskas kurz vor ihrer Enthauptung in Halle vorlas: " Geliebter Papa, teuerste Mama, Ihr seid heute bei mir und heute begreife ich, wie sehr ich Euch geliebt habe. Euch weihe ich meine letzten Gedanken. Seid tapfer, lebt wohl. Eure Tina."

Für den Schüler Nils Benkwitz "war es sehr beeindruckend, neben den aus dem Unterricht bekannten Verbrechen in den KZ von anderen Ereignissen und persönlichen Schicksalen aus dieser Zeit zu erfahren". Saskia Specht hob nach der Lesung hervor, dass es sich "hier um tatsächlich persönlich Erlebtes handelt und die Autoren persönlich mit Zeitzeugen gesprochen haben". Isabel Hartmann war besonders ergriffen vom Abschiedsbrief Krystynas.

Lehrerin Marlies Voßfeldt dankte im Namen der Klasse für diese bewegende Lesung und besondere Geschichtsstunde, die vom Zerbster Peter Schondorf in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek vermittelt und organisiert worden war.

Das Gehörte werde im Unterricht noch weiter vertieft werden, erklärte die Lehrerin.