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Wende-Erinnerungen "Komm` bloß nicht montags"

Vor 25 Jahren haben sich auch in Zerbst Menschen zusammengefunden, die
gegen die Behandlung durch das DDR-Regime auf die Straße gegangen ist.
Am Freitag trafen sie einige von ihnen wieder und tauschten Erinnerungen
aus.

01.12.2014, 10:01

Zerbst l "Als ich meine Tante darüber informierte, dass ich nach Leipzig fahren will, sagte die: Komm` bloß nicht montags, da ist hier die Hölle los!", erzählte Claus Blumstengel. Die anderen lachten. "Das ist ja der Grund, warum ich kommen will, hab` ich ihr gesagt", fügte der Journalist an. Er war einer von 20 Teilnehmern beim Gesprächsabend in der Trinitatiskirche. Dort trafen sich am Freitagabend Zerbster, um sich über ihre Erfahrungen aus der Wendezeit auszutauschen. Die meisten teilen ein Kapitel in ihrem Leben: Gemeinsam waren sie im Herbst 1989 in der Trinitatiskirche, nahmen an den Zerbster Friedensgebeten teil und liefen bei den Demonstrationen mit.

Mario Gabler aus Zerbst hatte mit einigen Anderen zusammen das Treffen organisiert. "Wir hatten das lange vor. Letztlich wurde es sehr kurzfristig organisiert, aber ich bin froh, dass es genau so ablief, wie ich es mir vorgestellt hatte", sagte der Zerbster. Pfarrer Reinhard Hillig hatte den Abend mit einer kleinen Rede eröffnet, nach gemeinsamen Gesang zeigte Gabler Video-Sequenzen vom Wendeherbst zur Einstimmung.

Er fragte, ob jemand bei einer großen Demonstration war, woraufhin Claus Blumstengel seine Geschichte erzählte. Dieser hatte auch Bilder dabei, die er während der Demonstrationen in Zerbst geschossen hatte. Allerdings erst, so räumt er ein, als die Leute ihn kannten. "Also erst bei einer späteren Demo. Sonst wäre ich Gefahr gelaufen, dass ich für einen Stasi-Mitarbeiter gehalten worden wäre", berichtete er weiter. Keiner habe fotografiert, erinnerte sich auch Gabler. "Das war zu gefährlich."

Rainer Frankowski zeigte Fotografien, die die Ausstellung abbildeten, die er nach dem Fall der Mauer im Museum zusammengestellt hatte. "Mir war irgendwann klar, dass ich das nur satirisch aufziehen konnte", erinnerte er sich. "Wir hatten Zulauf wie überhaupt noch nie in dem Museum", erzählte er. Die Ausstellung müsse es eigentlich noch geben. 25 Jahre nach dem Mauerfall wäre es eigentlich eine schöne Gelegenheit gewesen, diese noch einmal zu zeigen. Die anderen stimmten zu.

"Ich bin ja froh, dass wir das Treffen überhaupt gemacht haben", sagte Gabler der Volksstimme auf Nachfrage. Es sei ein guter Anlass gewesen, die alten Fotos und auch die "Maulwurf"-Ausgaben, eine Zeitung die in acht Teilen erschien, zu digitalisieren. "Sie verblassen nämlich." Dann zeigte er Fotos, welche die anderen in Erstaunen versetzten. Das befreundete Ehepaar von Eef und Albert Dijk aus Ijlst in Holland hatte Zerbst in den 1980er Jahren mehrfach besucht und fotografiert. "Sie waren fasziniert von dem, was für uns alltäglich war", sagte er. Schilder mit Losungen, Auslagen in Zeitungskiosken und Optiker- oder Elektronikwarenläden mit Preisschildern, und Straßenszenen riefen unter den Teilnehmer längst vergessene Erinnerungen hervor. "Sie haben lediglich einen Dia-Ordner auf die Schnelle für uns digitalisiert", erklärte Gabler. Mehrere Tausend Bilder gebe es noch in dieser Art.

Bis Mitternacht saßen die Teilnehmer noch zusammen. "Das macht man ja nie. Deswegen war das toll, die 25 Jahre Mauerfall als Anlass zu nutzen", sagte Gabler. Viele der Teilnehmer von damals haben nur losen Kontakt. "Man kennt sich, grüßt sich, das war`s", so Gabler. Dass er Rainer Frankowski Schlussworte einer Rede in der Trinitatiskirche noch heute auswendig kenne, weil er diese damals als mutig empfand, konnte Mario Gabler ihm am Freitag sagen. "Das hat ihn gefreut", sagte er.