1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Viele erinnern sich an "Törtchen"

Großes Kuchenangebot und eigenwillige Besitzerin bleiben im Gedächtnis der Zerbster Viele erinnern sich an "Törtchen"

Von Sebastian Siebert 24.01.2015, 02:05

Auch außerhalb der Anrufzeiten teilten uns Leser ihre Erinnerungen zum Heimatfotorätsel mit. Auch wenn sie dann natürlich nicht beim Gewinnspiel berücksichtigt werden können, nannten uns viele die richtige Lösung: Die Bäckerei von Gertraud Wallisch, genannt "Törtchen."

Zerbst l "Das ist die Bäckerei `Törtchen` ", wussten alle Anrufer zu berichten, die sich am Donnerstag beim Heimatfotorätsel beteiligt haben. Mehr noch: Eigentlich jeder konnte eine lebendige und lebhafte Geschichte der kleinen Backstube mitten in Zerbst erzählen. In jedem Fall mehr, als sich an den richtigen Namen erinnern konnten. "Der Name der letzten Eigentümerin ist Gertraud Wallisch", berichtete Christian Hoffmann, der der Lokalredaktion das Foto aus dem Jahr 1933 bereitgestellt hatte. Bekannt war sie in Zerbst "eigentlich nur unter dem Namen `Törtchen.` Sie war bekannt dafür, dass sie gut verkaufen konnte und dass man immer mit mehr den Laden verließ, als man eigentlich haben wollte", wusste Winfried Ebenhan aus Zerbst zu berichteten. Er beschrieb sie als untersetzte, resolute Frau, der nur Mutige den einen oder anderen Streich spielten. "Sie sah ein wenig aus wie Trude Herr", meinte Helga Gehrmann aus Zerbst.

Harald Neupert erkannte auch die Bank im Hintergrund. Bei der Notenbank habe er sich im November 1989 "Westgeld geholt und bin in den Westen gefahren." Reinhard Ribbe konnte aufklären, wie "Törtchen" zu ihrem Namen kam: "Immer, wenn man dort einkaufen war und eigentlich alles hatte, sagte sie `Kaufen Sie noch `n Törtchen, das schmeckt gut`." Er verwies darauf, dass das "Äschern" am Aschermittwoch bei "Törtchen" von wenig Erfolg geprägt war. Horst Or- licek konnte sich daran ebenfalls erinnern. "Aber wir waren da auch einfach zu viele Kinder", zeigte er Verständnis. Heinz Schreiber durfte sich auf dem Weg nach Hause hinter ihrem Ofen aufwärmen, nachdem er im Schlossteich eingebrochen war.

Annemarie Gründer aus Zerbst erinnert sich an eine Wanduhr, die das Geschäft säumte. Hanna Engler aus Zerbst war Frisörin. "Jeden Morgen hab ich dort gehalten und Gertraud Wallisch gekämmt." "Törtchen" sei dann gerade mit dem Backen fertig gewesen und wollte für die Kundschaft ordentlich aussehen, erzählte sie weiter. "Manchmal ist sie dabei eingeschlafen", erinnerte sich die Anruferin.

Siegfried Schellin aus Güterglück meinte, einmal eine Geschichte von einem Polizisten und einem Gefangenen gelesen zu haben. Der Ordnungshüter geleitete den Delinquenten vom Gericht vielleicht zu einer Haftanstalt. "Jedenfalls passierten beide eben jenen Laden und der Gefangene bat den Polizisten darum, ihm doch ein Brötchen zu holen. Das in der Gefangenschaft könne man nicht essen", fügte er an. Als der Polizist sich darauf einließ, habe der Mann seine Chance genutzt und sei geflohen. "Ob das nun so stimmt, das weiß ich nicht genau. Ich meine aber, ich hätte im Heimatkalender darüber gelesen", erzählte Schellin. Jürgen Ludwig aus Zerbst erinnerte sich an das wohl größte Kuchenangebot in Zerbst nach dem Krieg. An den Kuchen erinnerte sich auch Gisela Thiem. "Ich war sechs oder sieben Jahre alt, als ich mir die Nase an der Scheibe plattdrückte. Der Kuchen in der Auslage war so schön und garniert mit kleinen Rosenblüten, die mich faszinierten." Leider konnte ihr ihre Mutter damals, noch vor dem Krieg, den Wunsch nicht erfüllen. "Nur einmal konnte sie mir ein Stück kaufen. Als "Törtchen" dann das Kuchenstück einpackte, entfernte sie vorher die Rose. Das hab ich bis heute nicht vergessen", berichtete die 78-Jährige am Volksstimme-Telefon.

Der Müller Günter Zacharias aus Zerbst belieferte die Bäckerei mit Mehl. "Es war eine von 26 Bäckereien in Zerbst zu dieser Zeit", berichtete er. Um die 40 Jahre sei es her, da habe er das Gebäude mit abgerissen, erinnert sich Klaus Dehne aus Zerbst. Nur zwölf Zentimeter seien die Wände dick gewesen, aber dennoch war der Abriss alles andere als leicht. Zu dieser Zeit habe das Haus schon leer gestanden und war schon heruntergekommen, meinte er.

Die richtige Anwort zum gesuchten Gebäude, bei dem heute nur eine Freifläche zu sehen ist, wussten auch Brunhild Czech, Klaus-Dieter Heringshausen, Wolfgang Dompke, Helmut Lehmann, Ines Höhne und Gertraud Lange. Gewinnerin eines Preises ist Hanna Engler.