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Kirchenführerin Sonja Hahn und "Burgherr" Heinz Reifarth erzählen aus ihrem Alltag als Gästeführer Der Geist von Garitz spukt in der Kirche

23.02.2015, 01:35

Wenn Sonja Hahn auf den Altar in der Dorfkirche zu Garitz schaut, erblickt sie ein Gespenst, das dort seit Jahrhunderten lebt. Heinz Reifarth kann mit anderen Geschichten der Wasserburg Walternienburg aufwarten.

Garitz/Walternienburg l In der Dorfkirche zu Garitz gibt es ein kleines Gespenst. Es heißt nicht Casper, doch ist seit Jahrhunderten in dem Gebäude gefangen. Da kleine Geister lieber im Dunkeln "spielen", ist es bei direktem Sonnenschein auf das Altarbild nur schwer zu erkennen. Es versteckt sich am Altar und wenn man genau hinschaut, kann das geschulte Auge auch die ersten Umrisse erkennen.

Um das Geheimnis zu lüften: Natürlich gibt es keine Gespenster und auch in Garitz hat sich bisher keine Ausnahme davon ergeben. "Ich erzähle die Gespenstergeschichte aber immer, wenn ich Kindergruppen oder Schulklassen in die Kirche führe", erklärt Sonja Hahn.

Die studierte Kunsthistorikerin ist Kirchenführerin und somit auch für die Touristen im anhaltinischen Örtchen zuständig. Mit dem Gespenst meint sie die übermalte aber noch gut erkennbare erste Frau des einstigen Gutsherrn des Dorfes. Als diese starb, fand auch die zweite Angetraute auf dem Altarbild einen Platz. Genau dort, wo zuvor die erste Gattin zu erkennen war. Die zweite ist nur um wenige Zentimeter nach unten versetzt auf dem Gemälde zu sehen.

Seit einem Jahrzehnt ist Sonja Hahn in der Stiftung und im Förderkreis "Entschlossene Kirchen" aktiv. Neben dem Erhalt von über 60 Kirchen im Zerbster Umland gehören auch Führungen zu ihren Aufgaben. "Die meisten Führungen mache ich in Garitz", erklärt sie, "aber ich schaue mir auch andere Kirchen an."

Vor allem, wenn es neue Kirchen im Programm der Stiftung gibt. "Dann arbeite ich mich erst einmal intensiv in das Gebäude und dessen Geschichte ein", fügt die Kunsthistorikerin hinzu.

Das führt im Endeffekt dazu, dass sie auch Touren durch die Kirchen begleitet. Ob die Gäste sich nur die Glocken, Orgeln oder nur die Themenkirchen anschauen, Sonja Hahn erklärt den Touristen die Zusammenhänge detailliert.

So hat Hahn auch zahlreiche Gruppen kennengelernt. "Die meisten Gäste kommen aus Deutschland - vorrangig aus den Partnergemeinden in der Pfalz und Hessen", gibt sie zu, "aber wir hatten auch schon Gäste aus Übersee." So seien US-Amerikaner, Kanadier ebenso in den Kirchen gewesen, wie mehrere Touristen aus den Niederlanden. "In diesem Jahr erwarten wir auch eine Gruppe aus Äthiopien", sagt sie nicht ohne Stolz in der Stimme. Sie wolle die Leute auf einen anderen Weg an die Kirchen heranführen. "Es ist wichtig", betont sie, "dass die Leute wissen, was sie an ihrer Kirche haben."

So würden sich auch die Leute in den Orten finden, die wiederum den Gästen die Kirche zeigen. "Es wichtig, dass wir in jedem Ort einen Ansprechpartner haben, der etwas über die jeweilige Kirche sagen kann".

Damit diese Ehrenämtler auch die Fragen der Touristen beantworten können, bietet Sonja Hahn in Zusammenarbeit mit der Landeskirche Anhalt auch Weiterbildungsmaßnahmen an. "Oftmals fehlt einfach das notwendige Grundwissen", beklagt Hahn. "Es geht aber auch um die kunsthistorische Bedeutung von beispielsweise den Altären", erläutert sie.

Mehr als 13 000 Besucher auf der Wasserburg

Mit Altären hat Heinz Reifarth bei seinem Hobby nicht so viel am Hut. Mit Geschichte dagegen mindestens genauso viel. Er ist zusammen mit seiner Frau Erika im Heimatverein von Walternienburg tätig. Eine seiner Hauptaufgaben - man kann fast schon von Berufung reden - ist die Wasserburg. Seit der politischen Wende sind Reifarths bemüht, die Burg am Leben zu erhalten. Was in Ruinen begann, erfolgt inzwischen in einer schicken Burganlage. Hochzeiten, Führungen und Feste gehören zum festen Programm in jedem Jahr. "Allein im vergangenen Jahr hatten wir knapp 13 000 Besucher hier", berichtet Reifarth, der zugleich auch Ortsbürgermeister in Walternienburg ist.

Vermutlich liegt die Zahl der Touristen aber noch höher. "Bei manchen Veranstaltungen verlieren wir den Überblick und können nicht jeden einzelnen zählen", sagt Reifarth und muss lachen.

Auf der Burg rasten in den warmen Monaten vor allem zahlreiche Radfahrer. Walternienburg liegt genau am Elberadweg und so sind Gäste aus Tschechien und dem Norden Deutschlands keine Seltenheit. Doch auch Österreicher oder Schweizer finden ihren Weg nach Anhalt. "Wir hatten auch einmal ein Pärchen aus den USA zu Gast", erinnert sich Erika Reifarth. "Sie kamen im strömenden Regen und nur mit einigen dünnen Klamotten am Körper auf die Burg." Ein warmer Tee habe die Amerikaner wieder aufgewärmt, ein Handtuch die nassen Leiber getrocknet.

Doch warum hatten sie keine passende Kleidung an? An die Gründe erinnert sich Erika Reifarth noch bestens. "Sie hatten in ihrer Heimat in Boston den Wetterbericht für Deutschland geschaut und damals war eine Hitzewelle vorhergesagt." Daher seien beide nur mit sommerlicher Kleidung über den großen Teich geflogen. Ein Fehler, wie sich dann herausstellte.

Neben der Route direkt an der Elbe entlang werden auch viele Heiratswillige in die Wasserburg gespült. "Ein Jahr vorher muss man sich aber schon bei uns melden", klärt Heinz Reifarth auf. Er musste gar schon einen Termin im Mai 2016 verneinen, weil dieser bereits vergeben war.

Bei den Hochzeiten bietet Reifarth oft auch gleich eine kleine Führung auf den Turm der Burg. "Bei schönem Wetter können wir bis zum Brocken gucken", sagt seine Frau. Aber auch bei nicht so strahlendem Sonnenschein lohnt sich der Aufstieg. Immerhin bietet jede Etage einen anderen Blick auf die Vergangenheit. "Kinder sehen bei uns zum Beispiel, wie man früher das Korn eingefahren oder Rüben geerntet hat", sagt Reifarth.

Für verwunderte Augen sorgen dann die Kleider, die mit den Kindern von damals mitgewachsen sind. "Es gab ja schließlich kein Ebay." Also habe man früher einfach neue Textilstücke an die Ärmel angenäht und der Größe der Kleinen angepasst. "Wenn man heute in die Läden blickt", wirft Erika Reifarth ein, "dann muss man auch ehrlich sagen, dass sich die Mode gar nicht so sehr verändert hat."