Kreishandwerkerschaft: Carmen Bau zieht erstes Fazit nach der Einführung des Mindestlohns Zu viel Bürokratie

Von Sebastian Siebert 03.03.2015, 02:19

Zwei Monate gibt es den Mindestlohn schon. Positiv sei, dass es keine erdrutschartigen Kündigungen gegeben habe. Allerdings wiege der Mehraufwand an Bürokratie schwer. Rechtssicherheit gebe es auch nicht, monierte Carmen Bau.

Zerbst l Das Positive zuerst: Die große Welle der Entlassungen ist bislang ausgeblieben. Das erklärte Carmen Bau, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft, im Volksstimme-Gespräch zum Thema Mindestlohn. "Es hat Entlassungen gegeben, aber nicht in dem Maße, wie wir es erwartet haben", sagte sie. Als Grund führte sie an, dass zum einen eine preisliche Anpassung schon im vergangenen Jahr erfolgt sei. "Die Firmen wussten ja, was auf sie zu kommt und haben rechtzeitig angefangen, ihre Preise zu erhöhen. Teilweise mussten sie das auch deswegen, weil die Zulieferbetriebe die Preise angepasst haben, um den Mindestlohn auszahlen zu können."

Andere Firmen veränderten die Öffnungszeiten, um somit Kosten zu sparen. "Dann, wenn kaum Geld verdient wurde, blieben die Filialen einfach zu. Also meist eine Stunde eher Feierabend oder während der Mittagsstunden", gab die Geschäftsführerin ein Beispiel. "Einige haben aber auch damit Schwierigkeiten. Der Arbeitgeber zahlt ja auch nicht nur 8,50 Euro, sondern 12,50 Euro." Das Auszahlen der gesetzlich vorgeschriebenen 8,50 Euro funktioniere bei den meisten Betrieben ganz gut. Allerdings spielen die niedrigen Energiepreise eine Rolle, schob sie ein. Durch das Gesetz habe es auch Entlassungen gegeben. "Jeder Arbeitgeber weiß, dass, wenn er einen Mitarbeiter entlässt, dann hat dieser in der nächsten Woche eine Stelle bei einer anderen Firma." Es herrsche schließlich Fachkräftemangel. Daher habe niemand ein Interesse an Entlassungen, gab sie die Stimmung unter den Handwerksbetrieben wieder.

Was aber alle Handwerker störe sei der große Aufwand an Bürokratie. "Die Arbeitszeiten müssen nun akribisch dokumentiert werden", erzählte sie. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass Arbeitnehmer gezwungen werden, das Mehr an Lohnkosten über ein Mehr an Arbeitsstunden wieder hereinzuwirtschaften. 15 Prozent der Arbeitszeit eines Geschäftsführers müsse nun zur Verwaltung der Folgen des Mindestlohngesetzes zusätzlich geleistet werden, schätzte sie ein. "Die Arbeitgeber sind angehalten, das spätestens nach sieben Tagen zu dokumentieren." Sich einmal im Vierteljahr hinsetzen und die Arbeitszeiten niederschreiben gehe nicht. Es müsse permanent passieren. Praktische sei das gar nicht so einfach, sagt sie. "Wenn ein Bäckermeister einen Verkaufswagen hat, der von Dorf zu Dorf zieht, kann er dort seine Mitarbeiter nicht kontrollieren", machte Bau auf ein Problem aufmerksam. "Wie will er denn dokumentieren, dass sie ihre Arbeitszeiten einhalten?" Zudem herrsche große Unsicherheit bei der Umsetzung des Gesetzes. "Dort heißt es: Die Arbeitszeiten sind zu dokumentieren." Wie das aber rechtlich sicher ablaufe, werde nicht gesagt. "Reicht einfaches Aufschreiben? Muss der Arbeitnehmer gegenzeichen?", stellte die Geschäftsführerin in den Raum. Die Empfehlung der Kammer sei, mindestens einmal im Monat die Dokumentation vom Arbeitnehmer gegenzeichnen zu lassen. "Falls es nämlich mal zu Rechtsstreitigkeiten kommt, könne dem Arbeitgeber da nichts vorgeworfen werden", machte sie deutlich.

Auch ein Stück Flexibilität gehe verloren. "Stellen Sie sich vor, sie haben ein Catering-Unternehmen. Einer ihrer Mitbewerber fällt aus und sie bekommen einen Auftrag, eine Geburtstagsfeier bespielsweise am morgigen Mittwoch auszurichten. Ihre Mitarbeiter haben aber schon ihre Sollstunden voll. Die dürfen sie dann nicht mehr einsetzen." Für solche Fälle könne niemand Kapazitäten freihalten, meinte sie. "Die Flexibilität war der Vorteil von kleinen und mittelständischen Unternehmen und Handwerkern. Das geht jetzt verloren."

Das Gesetz sei "handwerklich schlecht gemacht", monierte Carmen Bau. Es sei sicher zu früh, ein genereller Fazit zu ziehen. "Lassen Sie uns in einem Jahr noch einmal miteinander reden", sagte Bau. Dann werde es eine bessere Datenlage geben. Zumal die Bundesregierung sich in der vergangenen Woche vorgenommen hat, zum Thema Mindestlohngesetz im April zu tagen und eventuell einige Änderungen zu beschließen. Die Überprüfung sei von Anfang an geplant gewesen, sagte Bau. "Allerdings erst nach zwei Jahren."