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Mit der Volksstimme-Serie "Hinter´m Zaun" besuchen wir die Anlage des Kleingartenvereins "Morgenröte" Leben und leben lassen

Von Sebastian Siebert 13.05.2015, 03:19

Bei der Serie "Hinter´m Zaun" stellt die Volksstimme die einzelnen Kleingartenanlagen in Zerbst vor. Nach der Pause während der Wintermonate haben die Kleingärtner längst wieder Quartier bezogen. Höchste Zeit also für den heutigen Abstecher in die Kleingartenanlage "Morgenröte".

Zerbst l Peter Wells ist seit drei Jahren Vorsitzender des Vereins "Morgenröte". "Alles weiß ich dennoch nicht", sagt er. Deswegen ist auch Werner Lichtenheldt dabei. Der 79-Jährige ist seit 40 Jahren Kleingärtner in der Anlage hinter dem Zerbster Krankenhaus. Wells bringt es "nur" auf 33 Jahre. Beide kennen sich schon lange, Lichtenheldt ist auch im Vorstand. Und beide führen ihren Kleingarten jeweils ganz anders als der andere. "Mit den ganzen Prozentzahlen für die Anbaufläche nehmen wir es hier nicht so ernst", sagt der Vorsitzende. Der Garten müsse gepflegt sein, das sei schon wichtig. "Darauf achte ich auch", sagt Wells. Lichtenheldt legt seinen Fokus auf Erholung. "Für mich ist es wichtig, dass meine Kinder, Enkel und Urenkel hier gern herkommen." Deswegen hat er neben einem Teich auch einen Pool im Garten. Seine Doppelparzelle bietet genug Platz.

Seit mehr als 40 Jahren hat er die Parzelle nun. Einst übernahm er sie von seinem Vater. "Schon davor war ich Kleingärtner", berichtet er. Seine erste Parzelle war in der Kleingartenanlage "Zukunft". Was ihn an seiner neuen Stätte sofort gefallen habe, sei der Boden gewesen. "In der ,Zukunft` ist der ziemlich sandig", erinnert er sich.

Der Morgenröteboden sei natürlich ein Vorteil gewesen. "Früher habe ich sehr viel mehr Gemüse und Obst angebaut", erzählt er. Dinge, für die er heute keine Kraft mehr aufbringen will. Die meisten Pflanzen seien zur Zierde in seinem Garten. Darin steckt allerdings sehr viel Arbeit. "Das hat alles viele Jahre gedauert, bis es so aussah wie heute", sagt Lichtenheldt.

"Irgendwann werd´ ich das sicher auch so machen", sagt der Vorsitzende Peter Wells. Noch will der 58-Jährige aber ernten. Äpfel, Birnen, Nektarinen, Brombeeren, Johannisbeeren, Himbeeren, Stachelbeeren, Quitten und Feigen wachsen in seinem Garten. Zudem hat er natürlich Erdbeeren, "weil die Marmelade von denen am besten schmeckt", wie er sagt. Dazu kommen noch Kartoffeln und drei kleine Spargelbeete. "Ein Kilogramm hab ich heute schon geerntet", berichtet er. Demnächst könnte er sogar Kiwis ernten, "noch trage der Baum aber keine Früchte", fügt er an.

Der Vorsitzende erzählt, dass auch die Ernte aus seinem 600 Quadratmeter Garten nicht reicht, um nicht mehr einkaufen gehen zu müssen. "Mit den Kartoffeln komme ich allerdings fast ein Jahr lang hin", berichtet er. Dass die beiden Gärten so unterschiedlich aussehen, ist durch die eher weite Auslegung der Vorschriften möglich. "Wir halten hier nicht viel davon", sagt Wells. So lange der Garten ordentlich aussieht und nicht nur Rasen angelegt werde, könne eigentlich jeder seinen eigenen Schwerpunkt setzen.

Früher, ganz am Anfang, sei die Fläche am Meinsdorfer Weg reine Ackerfläche gewesen. "Damals wurden Parzellen abgesteckt und man konnte Gemüse anbauen. Da durfte man noch nicht mal einen Baum pflanzen", sagt er. Erst später sei ein richtiger Kleingarten daraus geworden. Vielleicht rühre daher noch diese lockere Auslegung, denkt der Vorsitzende. Auch ein Tierverbot gebe es nicht. Er selbst hält noch ein Kaninchen. "Manuel Neuer haben es die Enkel genannt. Wie der Torwart", sagt er und muss schmunzeln. "Ich habe auch jahrelang einen Hund hier gehabt. Das hat niemanden gestört." So lange es keinen anderen belästigt, sieht man es in der "Morgenröte" nicht ein, Vorschriften zu machen. "Wir sind so klein, jeder kennt jeden. Wenn es ein Problem gibt, spreche ich mit den Pächtern. Dann löst es sich." Sicher sei das bei größeren Anlagen kaum möglich. Da brauche es strengere Regeln, denkt Wells. "Leben und Leben lassen", ist die Losung dieses Kleinods. Das scheint attraktiv zu sein. Von den 32 Parzellen ist nur noch eine frei. Rund ein Drittel der Pächter, so rechnet Wells im Kopf durch, seien 45 Jahre und jünger. "Viele junge Familien sind hier", berichtet er.

Natürlich kämpfe auch ihre Anlage mit den gleichen Problemen wie die anderen. Die Pächter werden zu alt, die meisten sind schon im Rentenalter. Wenn sie ihre Gärten abgeben, findet sich kaum ein neuer Pächter. "Obwohl wir hier, wie gesagt, vergleichsweise Glück haben", merkt Wells zufrieden an.