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13 Freiwillige wollen Sterbende begleiten

Von Sebastian Siebert 16.08.2015, 20:32

Sterbenden zur Seite stehen, das will der neue Hospizdienst in Zerbst. 13 Freiwillige haben sich dafür gefunden.

Zerbst l Rote Sessel stehen im Büro von Gundula Heyn. Ein Plakat hängt an der Wand, dass daran erinnert, dankbar zu sein, für jeden Moment. Daneben ein Kreuz. Langsam habe sie sich eingerichtet, sagt sie. Sie lacht, schenkt Wasser aus einer Karaffe ein. Seit Januar ist sie täglich in Zerbst anzutreffen. Ihre Aufgabe ist es, einen ehrenamtlichen Hospizdienst aufzubauen (Volksstimme berichtete). "Bislang läuft es sehr gut", sagt sie. "Wir haben eine Gruppe mit 13 Freiwilligen zusammen", fährt sie fort. "Das ist genug, damit wir hier in Zerbst eine Ausbildung zum ehrenamtlichen Hospiz-Begleiter anbieten können." Der Dachverband, die Malteser, hatte eine Mindestgröße von acht Freiwilligen vorausgesetzt, damit sich ein Lehrgang direkt in Zerbst lohne. "Das haben wir geschafft. Sonst hätte die Ausbildung in Dessau oder Magdeburg stattgefunden", fügte sie an.

Im Januar hatte sie das Büro, das neben der katholischen Kirche in Zerbst gelegen ist, bezogen. Mit einer Informationsveranstaltung am 3. März und der Einsegnung der Räume am 26. März hatte die Leiterin des Dienstes auf sich und ihre Aufgabe aufmerksam gemacht. "Eigentlich hatte ich von den Zerbstern nicht so viel Mut zugesprochen bekommen, dass sich hier genügend Leute finden", berichtet sie.

"Die beiden Veranstaltungen waren zu unserer Überraschung aber sehr gut besucht", berichtet sie weiter. Dort hatte sie Listen für Interessenten ausgelegt. "Da waren schon allein vier Namen eingetragen, was ein sehr guter Einstieg ist", merkt sie an. Das sei viel, für so eine kleine Stadt wie Zerbst erst recht.

Lange Gespräche

Nach und nach kamen mehr Leute, dich sich mit dem Ehrenamt mehr vertraut machen wollten, erzählt sie. Mit allen haben sie Verbindung aufgenommen, sie in ihr Büro eingeladen und persönlich lange mit ihnen gesprochen. "Ich muss mir ein Bild von der Person machen, ob derjenige für diese Aufgabe überhaupt in Frage kommt." Das sei bei allen, die sich vorgestellt hatten, der Fall gewesen. Es gebe auch Ausschluss-Kriterien. Die meisten dienen dem Selbstschutz. "Ein Kriterium ist ein gewisser Abstand zu persönlichen Ereignissen", sagt die Leiterin. "Wer kürzlich einen Trauerfall hatte und bei mir auf Nachfrage in Tränen ausbricht, wird diese Aufgabe nicht schaffen", macht sie deutlich.

Mindestens ein Jahr solle der Verlust zurückliegen, gibt sie eine grobe Zahl an. Die persönliche Verarbeitung müsse abgeschlossen sein. Auch psychische Erkrankungen des Interessenten würde dazu führen, dass Gundula Heyn die Hilfe ablehnen muss. "Die Belastung wäre zu groß", sagt sie weiter.

Ein guter Mix in Zerbst

Jeder könne mitmachen, zählt sie den dritten Punkt auf. "Ob evangelisch, katholisch, buddhistisch - das ist egal. Aber er muss bereit sein, diese Ausbildung, die auf einem christlichen Leitfaden basiert, anzunehmen." Dazu komme, dass Offenheit erwartet wird und die Bereitschaft, die eigenen Weltansichten, Überzeugungen oder Religion nicht dem zu Begleitenden über zu stülpen. Das haben alle akzeptiert, fügte sie an. "Sie hielten das sogar für selbstverständlich. Die Gruppe besteht sowohl aus katholischen, evangelischen und nicht-konfessionell-gebundenen Menschen", sagt sie. "Ein sehr guter Mix", findet sie.

Die jüngsten Mitglieder sind Mitte 30, die ältesten Ende 60, fast alle üben einen Beruf aus. Nur die Geschlechter seien ungleich verteilt. Lediglich ein Mann befindet sich unter den Interessenten. "Frauen haben vielleicht mehr ein Helfer-Syndrom", schätzt sie und schmunzelt.

Treffen alle sechs Wochen in Zerbst

Die Gruppe treffe sich alle sechs Wochen. Bislang gab es drei dieser Gruppenabende. Der erste habe am 29. April stattgefunden. "Ich kannte durch die Einzelgespräche jeden, an diesem Abend haben sich die Gruppenmitglieder kennengelernt", erzählt sie. Dort haben sich die Mitglieder einander vorgestellt und auch erzählt, was ihre Motivation sei, sich für das Ehrenamt zu melden.

"Die meisten haben gesagt, dass sie unzufrieden sind mit der Situation, wie in Deutschland zurzeit Sterbende und Schwerstkranke behandelt werden." Zu oft würden diese an den Rand der Gesellschaft geschoben. "Man könne so vieles ändern. Warum nicht bei sich selbst anfangen", sei eine häufige Antwort gewesen.

Andere haben ein Ehrenamt gesucht und wollen sich informieren, ob dieses Thema überhaupt etwas für sie sei.

Zwar habe sie die Gruppe gebeten, mit Themenvorschlägen sich an der Gestaltung der Abende zu beteiligen, "aber damit waren erst einmal alle überfordert", sagte die Leiterin und schmunzelte. Schließlich sei das für alle noch sehr neu. So gab sie einige Themen vor und überlegte mit der Gruppe, wie beispielsweise ein Flyer für den Dienst gestaltet werden könne, der auf das kostenfreie Angebot aufmerksam mache.

Beim zweiten Treffen kamen schon mehr Nachfragen. "Sie haben halt auch gesehen, dass ich kein Lehrer bin, sondern dass wir uns gemeinsam dem Thema Tod und Sterben nähern", erzählt sie. So wollte die Gruppe etwas mehr über die Historie des Hospiz-Gedankens erfahren. Auch Sterbehilfe solle einmal diskutiert werden. "Jetzt entwickelt sich die Gruppenarbeit", sagt sie froh.

Nachdem die Anzahl ausreichend sei, um in Zerbst einen Kurs zu etablieren, organisiert die Leiterin diesen. "Dafür werden immer zwei Ausbilder benötigt, die gemeinsam die neun Stunden des Grundlehrganges gestalten", erzählt Gundula Heyn. Eine sei sie selbst, eine zweite werde von der Dresdener Diözese gesandt. "Es ist eine erfahrene Kursleiterin aus Plauen." Der Kurs könne an drei Wochenenden im November, Dezember und Januar stattfinden. "Das fanden die Kursteilnehmer auch passend", sagte sie. Danach komme die Praktikumsphase. 20 Stunden sind dafür eingeplant. "Ich kann mir da eine Zusammenarbeit mit der Palliativstation im Krankenhaus vorstellen. Dort können die Ehrenamtlichen Kontakt zu fremden, kranken Menschen aufnehmen und erste Erfahrungen sammeln."

Danach werde es eine Vertiefungsphase geben, die wieder Theorie vermittelt. Abspringen könne jeder jederzeit. Aber Gundula Heyn glaubt, dass das keiner aus ihrer ersten Gruppe machen werde. "Wir hatten hier in Zerbst die Chance, uns ganz langsam dem Thema zu nähern. Die Räumlichkeiten, sich untereinander, mich und das Thema konnten sie kennenlernen. Und sie haben erfahren, dass es ganz anders ist, als sie es sich vorgestellt haben." Es werde auch gelacht, sagt sie. Im Juli könne die Ausbildung dann abgeschlossen sein.

Weiterbildung für Zerbster Gruppe

Bis dahin eignet sich die gelernte Krankenschwester die schon etliche Zusatzqualifikationen hat, weitere an. Ihre Aufgabe wird sein, die Ehrenämtler und die zu Begleitenden zusammenzubringen. "Ich werde für beide Seite auch immer die Ansprechpartnerin sein." Der Dienst ist kostenfrei. "Unsere Mitarbeiter werden schlicht da sein und die Lücke füllen, die andere Dienste nicht füllen können. Nämlich Zeit mit den Menschen verbringen, zuhören, vorlesen, da sein", beschreibt sie das Angebot.

Wer möchte, kann sich für das Ehrenamt bewerben. "Ich gründe gern noch eine zweite Gruppe", sagt Gundula Heyn.