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Workshop zum Projekt "Parlament der Stühle" im Jugendseeheim Deetz Wenn der Holzstuhl zum Kunstobjekt wird

Von Petra Wiese 28.05.2011, 06:32

Bunte Stühle trocknen in der Sonne. Jeder sieht anders aus. Jugendliche freuen sich über ihr Werk. Im Jugendseeheim Deetz fand in dieser Woche wieder einmal ein besonderer Workshop statt.

Deetz. Der normale Holzstuhl als Kunstobjekt und benachteiligte Jugendliche, die kreativ werden – der Berliner Künstler Kurt Buchwald hat das "Parlament der Stühle" initiiert. Unterstützt vom Landkreis Anhalt-Bitterfeld sind dazu Partner aus den Bereichen Schule, Jugendhilfe und Wirtschaft vernetzt.

Ausgetretene Pfade und Vorstellungen werden verlassen, erklärt Kurt Buchwald das Ziel des Kreativprojektes. Über eine künstlerische Tätigkeit soll das Individuum sich selbst und seine Umwelt neu bewerten. Und das wird an einem Stuhl ausprobiert. Darauf wird nicht nur gesessen, gelesen und geschlafen sondern kreativ gearbeitet und diskutiert.

Dabei zeigen, was in ihnen steckt, konnten in dieser Woche sieben Schülerinnen und Schüler der Zerbster Förderschule am Heidetor, die mit ihren drei Betreuern drei Tage im Jugendseeheim Deetz verbrachten. Die 14- bis 18-Jährigen waren als Auszeichnung für gute Leistungen und gutes Verhalten ausgewählt worden, erläuterte Schulleiterin Sylvia Focke.

Zunächst war ein wenig handwerkliches Geschick gefragt, um die Stühle aus ihren Einzelteilen zusammenzusetzen. Siehe da, auch die Mädchen stellten sich beim Werkeln nicht ungeschickt an. Das Stühlebauen habe ihr am meisten Spaß gemacht, meinte Valeska Ostermann am Ende des Workshops sogar.

Junge Menschen mit unterschiedlichen Ideen

Die Sitzmöbel sollten dann von jedem individuell mit Farbe und Bildern gestaltet werden. Die Entwürfe ging Kurt Buchwald mit den Teilnehmern durch, bevor es an die künstlerische Umsetzung ging. Hier durfte jeder seine eigenen Vorstellungen verwirklichen. Die Ideen der jungen Menschen waren ganz unterschiedlich, und ebenso vielfältig und bunt wurden die Stühle, an dessen Rücklehne jeweils noch der Kopf des Gestalters zu sehen ist.

Da hat zum Beispiel Katja Nitt ihre Vorliebe für die Hello Kitty-Marke zum Ausdruck gebracht. Michael Schulz mag offensichtlich Pferde, und sein Mitschüler bevorzugt einfache klare Linien. Das Malen, ja das ganze Projekt hat Spaß gemacht, waren sich Juliane Falk und Manuela Linke einig.

Wie etwas Eigenes entsteht, diese tolle Erfahrung können die Jugendlichen hier machen, so Reinhard Jahn, der von allen nur "Micha" genannt wird, und der seit 2003 mit Kurt Buchwald befreundet und mit ihm unterwegs ist. Etwas, was im normalen Alttag vielleicht nicht oft zu erleben ist. Er ist stets aufs Neue begeistert, wie viel gerade von benachteiligten Jugendlichen zurückkommt, wenn man mit ihnen arbeitet, sie ernst nimmt und unterstützt. Kurt Buchwald hat schon viele Projekte mit behinderten Menschen durchgeführt. Auch in Deetz war er beispielsweise mit der Porträtmanufaktur vor Ort.

Beim Stuhlprojekt konnte Sylvia Focke die Begeisterung beobachten, mit der ihre Schüler an ihren Objekten arbeiteten: "Sie wollten gar keine Pause machen." Neben den eigenen Stühlen jedes Teilnehmers – dass das Bild des "Besitzers" an der Lehne integriert ist, erinnert an alte Traditionen des Landes, wo über jedem Platz der Herren deren Medaillons oder Wappen angebracht waren – wurden noch drei weitere Stühle kreiert. Ein Anhalt-Stuhl, ein Schul-Stuhl und ein Zerbst-Stuhl ergänzen die Stuhl-Parade. Zum Programm des Workshops gehörte außerdem ein Besuch im Sägewerk Nedlitz, das zu den Kooperationspartnern bei dem Projekt gehört.

Neben der Zerbster Förderschule beteiligt sich die Förderschule Köthen, und auch mit den Kindern und Jugendlichen des Jugendklubs im Deetzer Jugendseeheim findet ein Workshop statt. Die Deetzer sollten eigentlich noch in dieser Woche aktiv werden, was aber wegen einer Erkrankung des Künstlers verschoben werden musste. Doch noch vor Beginn der Sommerferien soll die Aktion stattfinden. Schließlich ist auch die Eröffnung der Ausstellung noch vor Ferienbeginn geplant. Da kommt ein nächster Partner ins Spiel.

Das Parlament tourt durch den Landkreis

Die gestalteten Stühle werden auf dem Gutshof der Vrieswoud KG in Deetz ausgestellt. Das Parlament der anhaltinischen Stühle wird dann zu einem Statement. Die individuellen Sitzgelegenheiten erzählen von der Phantasie junger Menschen, die sich mit ihren Träumen und Ideen einbringen wollen. Anschließend wird das Parlament durch den Landkreis touren, in Zerbst, Köthen und Bitterfeld vorgestellt, um die "Stärken vor Ort" zu präsentieren.