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  7. Streit vor Gericht um Sonnenkraft vom RAW-Gelände

Denkmalschutz hält Hand über die Hallen des früheren Reichsbahnausbesserungswerkes / Investor muss "neu rechnen" Streit vor Gericht um Sonnenkraft vom RAW-Gelände

Eingestürzte Dächer, metertiefe offene Schächte, ein vom Schornstein
abgestürzter Kletterer, Polizeieinsätze - Schlagzeilen macht das alte
RAW-Gelände in Salbke seit Monaten nur unrühmliche. Dabei gibt es Pläne
zur Nutzung des Areals. Doch Eigentümer und Denkmalschützer streiten
sich vor Gericht.

Von Jana Heute 11.01.2014, 02:17

Magdeburg. "Wir würden gern nach Magdeburg kommen und hier einen Solarpark bauen", sagt Dr. Michael Merz, Geschäftsführer der Saferay Construction GmbH in Berlin. Die Firma baut und betreibt weltweit einige der größten Sonnenkraftwerke. So war sie am Aufbau des riesigen Solarparks in Senftenberg im südlichen Brandenburg mit einem Investitionsvolumen von 150 Millionen Euro beteiligt.

Derzeit setzt Saferay eine 30-Megawatt-Anlage in die Atacama Wüste in Chile. Das sei weltweit die erste Photovoltaik-Anlage, die ohne Förderung mit konventionellen Energieträgern konkurriert, sagt Merz. "In Chile produzieren wir so Strom für deutlich geringere Kosten je kWh als beispielsweise mit Kohle", berichtet der Firmenchef vom aktuellen Prestigeobjekt des Unternehmens, das mehrere Niederlassungen in Amerika, Japan und Australien unterhält.

Und nun also ein Sonnenkraftwerk in Magdeburg. Allerdings will die Firma hier mit einer 10-Megawatt-Anlage vergleichsweise kleinere Brötchen backen. Eine Investition von rund 10 Millionen Euro stünde der Stadt dennoch ins Haus, sollte der Plan glücken. Als Standort hat sich die Berliner Firma das alte RAW-Gelände in Salbke ausgeguckt, das seit der Schließung 1998 rasant verfällt und seither allenfalls Negativschlagzeilen macht.

Jugendliche turnen auf dem ca. 4 Quadratkilometer großen Gelände umher - zwischen offenen, teils metertiefen Schächten, unzähligen Glasscherben und eingestürzten Dächern. Ein lebensgefährliches Spiel. Ein 24-jähriger Abenteurer war letztes Jahr vom Schornstein gestürzt und hatte sich schwere Verletzungen zugezogen. Die Polizei durchkämmte mehrfach das Gelände auf der Suche nach einem vermeintlich entführten Kind.

Alles nicht im Sinne des Allgemeinwohls und wohl auch nicht das, was sich der neue Eigentümer (er kaufte das Gelände 2010 von der Bahn) vorgestellt hat. Dabei sollte hier längst ein neues Kapitel moderner Industriegeschichte beginnen. Keine rollenden Waggons und Loks mehr wie einst, sondern solche Maschinen, die sich einfach nur zur Sonne räkeln, Energie einsammeln und in Netze einspeisen.

Der Grundstückseigentümer hatte das RAW-Gelände der Firma Saferay zur Nutzung angeboten. Dieser Eigentümer sei laut Merz ein deutsches Unternehmen, das sich auf die Nachnutzung alter Bahngelände spezialisiert hat. "Wir haben mit der Firma schon öfter zusammengearbeitet. Sie hat uns gefragt, ob wir auf dem RAW-Gelände einen Solarpark bauen würden", berichtete Geschäftsführer Merz.

Und die Berliner Firma wollte, sieht in dem Standort mit städtischer Lage einen wichtigen Vorteil. Auch eine Ratsmehrheit folgte der Idee, beschloss im März 2012 die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens, die Voraussetzung für das Millionen-Projekt ist. Doch die Planungen blieben in den Anfängen stecken. Grund: Die obere Denkmalschutzbehörde beim Landesverwaltungsamt stellt sich quer.

Dem Antrag des Eigentümers auf Abriss sämtlicher Gebäude - von der alten Wagenhalle über die Zentralschmiede, der Großteileaufbereitung bis hin zum Kraftwerk mit Maschinen- und Kesselhaus - wurde nicht stattgegeben. Die Begründung des Eigentümers, der Erhalt des Baudenkmals sei für ihn wirtschaftlich nicht tragbar, sei nicht plausibel dargelegt worden, erklärt Behördensprecherin Denise Vopel dazu auf Nachfrage. Der Erwerber habe gewusst, dass der gesamte Komplex des früheren Reichsbahnausbesserungswerkes (gebaut 1892, d. Red.) unter Denkmalschutz stehe. "Wir gehen davon aus, dass jemand, der ein Denkmal kauft, dieses erhalten will und nicht abreißen", argumentiert sie.

Gegen die Entscheidung der Denkmalschützer vom Juni 2012 klagt der Eigentümer vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg. Gerichtssprecher Christoph Zieger sagte gestern auf Nachfrage, dass in der Sache voraussichtlich im ersten Halbjahr dieses Jahres verhandelt wird. Einen konkreten Termin gebe es allerdings noch nicht.

Unterdessen wird es immer enger für das Vorhaben Solarpark. Projektträger Saferay muss mit erheblichen Kosten für den etwaigen Abriss der Hallen bei gleichzeitig sinkender Förderung für Solarstrom nach dem EEG-Gesetz rechnen. Zeit ist hier viel Geld. "Letztes Jahr hätten wir das noch schultern können", meint Dr. Michael Merz im Hinblick auf die Finanzierung des Projekts. Die Frage sei, ob die Rahmenbedingungen des EEG auch in ein, zwei Jahren noch stimmen. "Wir müssen dann auf jeden Fall noch mal nachrechnen, ob die Sache für uns wirtschaftlich ist", so der Geschäftsführer.

Über den Streit mit den Denkmalschützern geht womöglich der erste Investor für das alte RAW-"Schiff" von Bord. Ob für diesen Fall noch weitere existieren, ist nicht bekannt. Derweil geht in Salbke der Verfall weiter.