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Platz 3 für Tabea Friedersdorf beim "Magdeburger des Jahres 2013" Mit Video: Hospizarbeit – Weil der Tod zum Leben gehört

Von Michaela Schröder 16.01.2014, 19:59

Mit 14,7 Prozent der Stimmen wählten die Volksstimme-Leser Tabea Friedersdorf auf den dritten Platz bei der Wahl zum Magdeburger des Jahres 2013. Tabea Friedersdorf begleitet im Hospiz der Pfeifferschen Stiftungen Menschen auf ihrem letzten Weg. Die 56-Jährige setzt sich für ein Sterben in Würde ein. Redakteurin Michaela Schröder hielt die Laudatio.

Magdeburg l "Du bist wichtig, einfach weil du du bist. Du bist bis zum letzten Augenblick deines Lebens wichtig und wir werden alles tun, damit du nicht nur in Frieden sterben, sondern auch leben kannst bis zuletzt", so drückte die Gründerin der modernen Hospizbewegung, Dr. Cicely Saunders aus London, das wichtigste Ziel in der Begleitung eines sterbenden Menschen aus.

Angesichts des Sterbens geht es um das Leben - ein würdiges Leben bis zuletzt. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wo man stirbt, sondern auch wie. Die Hospizbewegung stellt sich dieser Herausforderung, eine Kultur des würdevollen Sterbens im Leben zu fördern. Erstmals informierte sich 1995 eine kleinere Gruppe von Mitarbeitern der Pfeifferschen Stiftungen über die Hospizidee und die Hospizarbeit. Seit elf Jahren besteht nun das Hospiz im Luisenhaus der Pfeifferschen Stiftungen. Hunderte Schwerstkranke und Sterbende sind in dieser Zeit gekommen und nach ein paar Stunden, Tagen, Wochen oder Monaten wieder gegangen.

Tabea Friedersdorf ist vom ersten Tag an dabei. Als ausgebildete Krankenschwester sind ihr Sterben, Tod und Abschied nehmen nicht fremd, sondern ständig gegenwärtig.

Seit 2007 leitet sie das Hospiz in den Pfeifferschen Stiftungen. Das Sterben als Lebensphase begreifen und gestalten. Ein bewusstes Abschiednehmen. Diese Grundidee stand hinter der Einrichtung des Hospizes. "Jeder Mensch hat das Recht, vernünftig versorgt zu werden - auch und gerade Kinder" - für ein Sterben in Würde -dafür setzt sich Tabea Friedersdorf ein.

Das bedeutet, dass der sterbende Mensch und die ihm Nahestehenden im Mittelpunkt der Hospizarbeit stehen. Sie benötigen gleichermaßen Aufmerksamkeit und Fürsorge. Wünsche und Bedürfnisse des unheilbar kranken Menschen rücken in den Vordergrund. Ein Hospiz bietet weit mehr, als ein Krankenhaus zu leisten vermag.

Hospiz bedeutet übersetzt Herberge oder Raststätte - doch wer hier ein Zimmer bezieht, für den ist es die letzte Station im Leben. Hospizarbeit zielt auf Begleitung und lindernde Hilfe, nicht auf lebensverlängernde Maßnahmen.

"Jeder Mensch hat das Recht, vernünftig versorgt zu werden - auch und gerade Kinder."

Die Begleitung und Unterstützung endet für Tabea Friedersdorf und ihr Team nicht mit dem Tod, sie wird in der Zeit der Trauer weitergeführt.

Umfassende Betreuung entsprechend der Hospizidee braucht Beständigkeit und Koordination rund um die Uhr.

Die Begleitung eines sterbenden Menschen ist eine der größten Herausforderungen, denen man sich stellen kann. Wie tröstet man Sterbende? Ein Patentrezept, wie man Menschen in ihren schwersten Stunden beisteht, gibt es nicht.

Tabea Friedersdorf fand ihre Bestimmung, als die Pfeifferschen Stiftungen die Einrichtung des stationären Erwachsenen-Hospizes planten. Ausgerechnet an diesem Ort, wo man tagtäglich mit Trauer, Leid und Tod konfrontiert wird, findet sie ihre Bestimmung.

Sie sagt einmal zu mir: "Das ist eine Idee, für die ich lebe. Der Tod gehört zum Leben dazu. Wir müssen das Sterben und den Tod genauso ernst nehmen wie die Geburt." Die heutige Generation ist dem Tod gegenüber so rat- und hilflos wie es wahrscheinlich keine bisher war. Früher gehörte es zur Sitte, dass der sterbende Mensch seine letzte Zeit bei seiner Familie erlebte und verstorbene Familienmitglieder bis zur Beerdigung zu Hause aufgebahrt wurden.

Man hielt die Totenwache, Freunde und Nachbarn kamen zum stillen Abschied nehmen von dem Toten. Sterben und Tod hatten ihren Platz in diesen Familien. Von Kindheit an konnte jeder eine unmittelbare Erfahrung damit machen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der das Thema Tod tabu ist. Es hat keinen Platz in dieser Welt, wo Jugend, Erfolg, Gesundheit ständig beschworen werden.

Seit Jahren kämpft Tabea Friedersdorf dafür, dass Tod und Sterben kein Tabu mehr sind. Motiviert ist dieses Engagement von der häufig unwürdigen Situation schwerstkranker und sterbender Menschen vor allem in Krankenhäusern, aber auch in anderen modernen Einrichtungen. Es fehlte - und fehlt auch heute noch - häufig eine angemessene Betreuung schwerstkranker Menschen, die den körperlichen, sozialen, psychischen und spirituellen Bedürfnissen am Lebensende umfassend Rechnung trägt und die Angehörigen und Nahestehenden einbezieht.

Im März 2013 eröffnete das erste stationäre Kinderhospiz in den Pfeifferschen Stiftungen. Hier erhalten Kinder mit lebensverkürzenden Erkrankungen die ihnen rechtlich zustehende Entlastungspflege und Begleitung am Lebensende.

"Der Tod gehört zum Leben dazu. Wir müssen das Sterben und den Tod genauso ernst nehmen wie die Geburt."

Es ist eine Situation, die sich niemand vorstellen will. Das eigene Kind todkrank, die Angst, die Pflege - sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag.

Erfolgreich, sorgenfrei, und vor allem schön: So stellen sich die meisten ihr Leben vor. Den Gedanken an den Tod grenzen viele aus. Kinder, die wegen tödlicher Krankheiten sterben müssen - lange Jahre hat die Gesellschaft dieses hochsensible Thema verdrängt. Tabea Friedersdorf bringt das Thema in die Mitte der Gesellschaft und kämpfte beherzt um den Aufbau des Kinderhospizes.

Gunther Gosch, Magdeburger Kinderarzt und von den Volksstimme-Lesern im vergangenen Jahr zum Magdeburger des Jahres gewählt, schätzt das persönliche Engagement von Tabea Friedersdorf mit dem sie auf die Situation sterbender Kinder und deren Familien aufmerksam macht. Ohne sie hätte es das Kinderhospiz wahrscheinlich in der jetzigen Form nicht gegeben, ist sich der Kinderarzt sicher. Mit ihrer Präsenz in den Medien habe sie einen großen Beitrag geleistet, ein gesellschaftliches Tabu-Thema öffentlich zu machen.

Tabea Friedersdorf ist in den vergangenen Jahren zum Gesicht der Hospizarbeit in den Pfeifferschen Stiftungen geworden. Sie hat aufgrund ihres zielstrebigen Bemühungen die Arbeitsfelder deutlich erweitert. Wobei sie aber mit Nachdruck klarstellt: "Das habe ich nicht allein gemacht, die Arbeit haben viele geleistet." Sie habe nur den Stiftungsgedanken verfolgt und ohne eine Institution wie die Pfeifferschen Stiftungen wäre die Umsetzung nicht denkbar gewesen.

Für Christoph Radbruch ist Tabea Friedersdorf etwas Besonderes. Der Vorstandsvorsitzende der Pfeifferschen Stiftungen schätzt an ihr, dass sie das schwere Thema "Tod und Sterben" sowohl innerhalb der Stiftungen als auch in der Öffentlichkeit wach hält und durch ihre lebendige und herzliche Art Menschen so vermittelt, dass sie es annehmen können.

Die sich auf ihre Liebe zu den Menschen gründenden Persönlichkeitseigenschaften, die Tabea Friedersdorf besonders auszeichnen, sind der Enthusiasmus und die Freude, mit der sie ihre berufliche Tätigkeit verwirklicht, wozu auch ihre ruhige, zurückhaltende Art und ihr unaufdringliches Dasein für alle, die sie um Rat oder Tat bitten, gehören.

Tabea Friedersdorf Handlungsmotive für ihr berufliches Wirken und ihre Tatkraft lassen sich aus ihrer tiefen spirituellen und humanistischen Grundhaltung erklären.

Zudem tragen Sie, Frau Friedersdorf, die Hospizidee "Leben bis zuletzt - Sterben als Teil des Lebens" vorbildlich weiter. Auch wenn Sie sich selbst nicht in den Vordergrund geschoben haben, ist es Ihnen bis heute wichtig, dass andere Menschen von diesem Dienst erfahren.

Es ist für mich eine besondere Freude, Ihnen, sehr geehrte Frau Friedersdorf, im Namen der Magdeburger für Ihr langjähriges Engagement in der Hospizarbeit zu danken.