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Aggressiver Pilz Schwamm aus Schinkels Zeiten zerstört St. Nicolai

Die Nicolaikirche ist bis auf weiteres für Besucher gesperrt. Bei den
laufenden Sanierungsarbeiten wurde der Echte Hausschwamm entdeckt. Die
Beseitigung des holzzerfressenden Pilzes wird eine Viertelmillion Euro
kosten. Die Gemeinde ist auf der Suche nach Unterstützung.

Von Stefan Harter 10.04.2014, 03:18

Magdeburg l "Das ist ein Schweinehund", hält Sina Stiebler mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Einige Tage nach der Entdeckung des aggressiven Pilzes wirkt die Architektin dennoch gefasst. Angesichts des unerwarteten Fundes nicht selbstverständlich. Seit den 1990er Jahren ist sie mit der Sanierung der ab 1824 erbauten Kirche am Nicolaiplatz beschäftigt. Jetzt sah es eigentlich so aus, als ob man halbwegs durch sei. Und nun das.

Eine gute Viertelmillion Euro wird die Bekämpfung des Hausschwamms kosten, hat Stiebler mittlerweile ausgerechnet. Geld, das die Gemeinde ohne Hilfe von außen nicht hat. "Wir haben entsprechende Hilferufe an die Stadt, an Lotto Toto und die Stadtsparkasse geschickt", zählt sie auf. Bis zum Frühsommer soll geklärt werden, wie die Sanierung gestemmt werden kann.

Die reine Bauzeit wird ihrer Schätzung nach ein halbes Jahr dauern. Bis dahin ist die Kirche für Besucher tabu. Es besteht akute Absturzgefahr der Decke über Apsis und Chor. Ob also die Weihnachtsmesse wieder in der Kirche gefeiert werden kann, ist mehr als zweifelhaft. Bis auf weiteres finden alle Gottesdienste und andere Veranstaltungen im Gemeindehaus in der Brüderstraße statt, erklärt Bärbel Bühnemann vom Gemeindekirchenrat.

Eigentlich wollte sie nur eine bereits von unten sichtbare Stelle im Putz ausbessern lassen, erzählt Stiebler. Denn weil die neuen Stahlfenster eingebaut wurden, stand ohnehin ein Gerüst. Doch dann nahm das Unheil seinen Lauf. Was wie feiner Staub und Dreck aussah, entpuppte sich als Echter Hausschwamm. Ein Holzsachverständiger wurde gerufen, der die Befürchtung bestätigte. Wie Spinnweben ziehen sich die Mycelfäden durch das Gebälk, viele Holzbalken sind bereits aufgefressen. Schwarze Fruchtkörper kleben in den Ecken. Der Pilz hat ganze Arbeit geleistet.

Die Architektin vermutet, dass er fast 200 Jahre dafür Zeit hatte, weil er wahrscheinlich bereits zur Zeit des Erbauers Karl Friedrich Schinkel dort hineingelangt sei. Und er ist immer noch aktiv, frisst immer weiter. "Bis zu 1,50 Meter vom letzten Befall aus muss man das Mauerwerk austauschen und anschließend die Oberfläche behandeln", erklärt Sina Stiebler. Die Mauerreste sind Sondermüll, der Stuck und die Gewölbekonstruktion müssen aufwendig neu angefertigt werden.

Pfarrerin Charlotte Kalthoff, ganz Geistliche, sieht in dem Pilzfund dennoch etwas Gutes. "Wenn ich daran denke, dass wir dort unser Krippenspiel hatten, wird mir immer noch ganz anders. Ich bin bestürzt, dass wir über die Gefahr nichts gewusst haben. Daher ist es gut, dass der Pilz gefunden wurde", erklärt sie.

Auch Sina Stiebler kann der ganzen Sache etwas Positives abgewinnen. Bei den Probebohrungen wurde die originale Putzschicht von 1824 entdeckt, die sogenannte Kassetten mit blauer Farbe und vergoldeter Umrandung enthielt.