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Weiter Reifeprüfung an Berufsbildenden Schulen Ingenieure von morgen bauen sich ihr Abitur

Seit einem Jahr bieten die Berufsbildenden Schulen Otto von Guericke das Vollabitur an. Nach der Testphase haben Schulleiter und Uni-Rektor gestern die Kooperationsvereinbarung für den bundesweit bislang einmaligen Bildungsweg unterzeichnet. Drei Schüler kennen bereits die Vorteile.

Von Anja Jürges 04.07.2014, 03:25

Magdeburg l Konstantin, Maximilian und Julian sind quasi die Versuchskaninchen. Sie gehören zu den zwölf Schülern, die im Probejahr an den Berufsbildenden Schulen Otto von Guericke ihren Weg zum Vollabitur mit dem Schwerpunkt Ingenieurwissenschaften eingeschlagen haben. "Wir sind froh, dass der Modellversuch jetzt offiziell weitergeführt werden kann", sagt Schulleiter Hans-Jürgen Meier bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung mit der Otto-von-Guericke-Universität, die die Ausbildung unterstützt.

"Wir als `Zulieferer` für Berufsschulen wissen, dass Eltern nach solchen Möglichkeiten suchen." - Thomas Maeder, Gemeinschafts- und Sekundarschulleiter Thomas Mann

Derzeit lernen zwölf Schüler an den Guericke-Schulen für das neue Vollabitur, im kommenden Schuljahr werden es 28 sein. "Der Zugang zum beruflichen Gymnasium ist für Schüler aller Schulformen offen", sagt Meier. Julian Frost zum Beispiel ist nach der zehnten Klasse vom Gymnasium zur Berufsschule gewechselt. "Von dem aufs Ingenieurwesen ausgerichteten Abitur habe ich von einem Bekannten erfahren", sagt der 18-Jährige. "Da mein Vater Ingenieur ist, möchte ich etwas Ähnliches machen." Sein Traum ist eine Stelle als Ingenieur in der Automobilbranche. "Als Magdeburger hänge ich an der Stadt und würde es auch hier versuchen", sagt Frost.

Konstantin Pavel wollte nach seinem erweiterten Realschulabschluss eigentlich "irgendwas mit Informatik" machen. "Das war mir dann aber doch zu trocken, sodass ich etwas mit mehr Praxisbezug gesucht habe", sagt er. "So bin ich hier gelandet."

Die jungen Leute, die sich für das Ingenieur-Abi entscheiden, werden sicher etwas in der Richtung studieren, meint Hans-Jürgen Meier. "Da wir in den Ingenieurwissenschaften Elektro-, Metall- und Bautechnik bündeln, bekommen sie einen Einblick in alle Bereiche und haben Zeit bis zum Studium, um sich festzulegen", sagt Meier.

Genau das hat Maximilian Schulze gereizt. "Letztlich habe ich drei verschiedene Perspektiven", so der Magdeburger. Als ehemaliger Schüler der Sportsekundarschule wolle er sich alle Möglichkeiten offen halten. "Denn die Sportkarriere ist wegen einer Verletzung gescheitert", sagt Schulze. Mit dem ingenieurwissenschaftlichen Abi habe er trotzdem "etwas zum Fassen" und nicht nur graue Theorie. Während des Laborpraktikums beispielsweise hat er zusammen mit seinen Klassenkameraden zum ersten Mal Beton gemischt.

Genau so soll der neue Bildungsweg funktionieren: "Als andere Möglichkeit zum Abitur als in der vierten Klasse zu entscheiden, dass das Kind aufs Gymnasium geht", sagt der Schulleiter der Gemeinschafts- und Sekundarschule Thomas Mann, Thomas Maeder. "Wir als `Zulieferer` für Berufsschulen wissen, dass Eltern händeringend nach solchen Möglichkeiten suchen."

Die Berufsbildenden Schulen Otto von Guericke wiederum sind jetzt "Zulieferer" für die Uni. "Wenn wir unsere Studentenzahl halten wollen, sind wir auf so was angewiesen", erklärt Uni-Rektor Jens Strackeljan.

Beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) schließt sich der Kreis. Präsidiumsmitglied Michael Schenk sagt: "In unseren Reihen ist der neue Bildungsweg auf großes Interesse gestoßen."

"Wenn wir unsere Studentenzahl halten wollen, sind wir auf so was angewiesen." - Jens Strackeljan, Rektor der Otto-von-Guericke-Universität

"Die Vernetzung ist ein wichtiges Stichwort", sagt Kultusminister Stephan Dorgerloh. Das fange bei Kita und Grundschule an und gehe über die Schule und Berufsschule bis zur Uni und dem späteren Arbeitgeber. Dorgerloh sagt: "Jetzt müssen wir das als Modell gestartete Projekt noch vernünftig im Alltag verflechten, damit es sich als Regelbildungsweg auch langfristig etabliert."