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Seniorrat zieht gegen bürgerferne Politik und "ellenlanges Schwadronieren" zu Felde Klartext von Klaus Kutschmann

Premiere des neu gewählten Stadtrates am Donnerstag: Weil der Älteste
keine Lust hatte, fiel dem Zweitältesten die Ehre und die Last zu, die
richtigen Worte zum Einstand zu finden. Klaus Kutschmann vom Bund für
Magdeburg nutzte die Gelegenheit für eine Art Abrechnung.

Von Katja Tessnow 12.07.2014, 03:21

Magdeburg l Tierschützer Lothar Tietge eröffnete bereits 2009 als Ratsältester die Legislatur, in deren Lauf er zunächst der Tierschutzpartei und dann dem ganzen Rat den Rücken kehrte (Mandatsniederlegung). Jetzt ist Tietge mit 79 in der Partei und im Rat zurück, doch sagen wollte er besser nichts. Er habe, erklärte OB Lutz Trümper, schriftlich den Verzicht auf die Eröffnung der Ratslegislatur erklärt, weshalb Klaus Kutschmann (74) als Zweitältester zum Zuge kam. Der prominente Tierarzt und Mitstreiter der Freien Wählergemeinschaft Bund für Magdeburg hat schon zehn Ratsjahre auf dem Buckel und er gab zu: "Mir sind in dieser Zeit viele Illusionen genommen worden."

Politische Gremien im ganzen Lande sollten eigentlich die Bevölkerung widerspiegeln: "Das ist leider nicht der Fall." Es gelinge landauf, landab und auch in Magdeburg nicht, die Bürger breit zu beteiligen. "Wir sind in der Bringeschuld, wir Politiker", rief Kutschmann aus und weiter: "Wir müssen die Bürger besser begeistern und mitnehmen." Er, Kutschmann, will es weitere fünf Jahre lang versuchen, hat aber offenbar von mancher Ratsdebatte, die er in einem Ratsjahrzehnt schon erlebte, noch heute gehörig die Nase voll.

"Ich habe hier manchmal grenzwertige Wortmeldungen erlebt, ellenlanges Schwadronieren." Aus Kutschmanns Sicht vielmehr zwecks Selbstdarstellung als im Sinn einer Sache. "Einige der Viel- und Langredner sollten sich fragen, ob das immer angebracht ist." Im Saal mischten sich inzwischen Beifallsbekundungen und Geraune. Kutschmann appellierte an "Toleranz" und an die Einsicht, dass "auch andere manchmal gute Ideen haben" und es die eine allgemeingültige Wahrheit nicht gibt. "Die Liebe zur Landeshauptstadt muss hier alle Parteigrenzen überschreiten. Wir sind gegen niemanden, aber wir sind immer für Magdeburg", endete der Seniorrat etwas pathetisch, nicht ohne zuvor eine stärkere Unterstützung des Landes für seine Landeshauptstadt eingefordert und seine Prämissen für die Stadtentwicklung gesetzt zu haben: mehr Ansiedlungen, mehr Arbeitsplätze, Kinderfreundlichkeit, A-14-Verlängerung, ICE-Anschluss, Hochschulförderung, FCM-Aufstieg ("Auch wenn die Politik da leider oder Gott sei Dank nicht viel machen kann.") und eine entschiedene Bekämpfung von rechtem und linkem Extremismus in der Stadt.

Beifall und Schulterklopfen für ehrliche Worte waren Kutschmann sicher.

Im Anschluss - Formalien: Kutschmann vereidigte die Stadträte; sie mussten die Formel links im Bild stehend nachsprechen. Dann rief er zur Wahl des neuen Ratsvorsitzenden auf. Als Andreas Schumann (CDU) in geheimer Wahl als solcher bestellt war, endete die Aufgabe des Rats(zweit)ältesten auf dem Podium und er setzte sich zurück ins Glied - hintere Bankreihe. Die Ratsneulinge ahnen dank Kutschmann, was sie erwartet. Schon zur ersten Sitzung blieb politischer Schlagabtausch gleich beim Tagesordnungspunkt eins ("Bestätigung Wahlergebnis") nicht aus (siehe unten).