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Asylbewerberheim Linker Zoff wegen Westring-Debatte

Am Mittwoch sollte am Westring ein Asylbewerberheim öffnen. Nach Berichten über die unhaltbaren Zustände in dem Plattenbau wurde dieser Plan verschoben. Doch bei der Debatte um das Wohnhaus geht es längst nicht mehr darum, wann das Asylbewerberheim öffnet. Vielmehr offenbart der Streit tiefe Gräben in der Linkspartei und zwischen Dezernat und Oberbürgermeister.

02.10.2014, 03:09

Magdeburg l Seitdem die Volksstimme das erste Mal über den Westring und die katastrophalen Zustände schrieb, hat das Thema mindestens drei Ebenen bekommen. Inzwischen geht es längst nicht mehr nur darum, wann der marode Plattenbau saniert wird und was mit den noch verbliebenen Mietern passiert. Auch in der Verwaltung und in der Linkspartei ist ein Streit darüber entbrannt, wie mit dem Thema umgegangen werden soll.

1. Ursprünglich sollte das Asylbewerberheim am Westring am Mittwoch eröffnen. Dieser Termin war nicht mehr haltbar. Brüning sagte, dass der Westring eingangsweise von der Eigentümerin saniert wird und eine Eröffnung frühestens im Februar 2015 möglich sei. Noch immer leben in dem Haus Menschen unter katastrophalen Bedingungen. Die Stadt will das Haus langfristig von der Eigentümerin nach Sanierung mieten. In dem Eingang, der als Letztes instand gesetzt werden soll, ist an die Hausflurwand "Horror Block 88" (Nazi-Code für "Heil Hitler") gesprüht. In dem Eingang war die Volksstimme in einer Wohnung, in der Reichskriegsflagge und andere Nazi-Symbole an den Wänden hängen. Auf die Frage, wie sich das mit den Asylbewerbern vertrage, sagte Brüning: "Das klären wir noch".

2. OB Lutz Trümper (SPD) hat seinen Sozialbeigeordneten kritisiert, mit der Westring-Entscheidung zu schnell an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Denn bei Bekanntwerden der Pläne gab es weder einen Vertrag mit der Eigentümerin noch waren die Zustände umfänglich untersucht. Brüning sagt: "Alle wussten, über was wir hier sprechen."

3. Mittlerweile ist auch die Stimmung in der Linkspartei vergiftet. Es ist ungewöhnlich, dass Stadtrat Dennis Jannack seinen Parteigenossen Brüning nicht persönlich um Aufklärung bittet, sondern über den Stadtrat eine schriftliche Anfrage stellt und damit den Beigeordneten brüskiert. Nun hat Brüning in eisigem Ton geantwortet. "Unser Verhältnis ist unterkühlt. Die Tonalität ist grenzwertig", sagte Jannack, der auch Büromitarbeiter des Landtagsabgeordneten Wulf Gallert ist. Brüning wiederum ist der Meinung, dass Jannack ein "Neuling" sei. "Der muss sich in die Materie erst noch einarbeiten", sagte er.

Die wichtigsten Fragen von Jannack und die Antworten von Brüning im Wortlaut:

Dennis Jannack: Seit wann ist der Landeshauptstadt Magdeburg der Zustand des Wohnblocks am Westring 34 bekannt?

Hans-Werner Brüning: Unklar ist, was der Fragesteller hier mit der Landeshauptstadt Magdeburg meint. Versteht er unter Landeshauptstadt Stadtrat und Verwaltung (Oberbürgermeister)? Einzelnen Verwaltungsstellen der Landeshauptstadt Magdeburg ist die Situation verschiedener Bewohner im Zusammenhang mit sozialen Leistungen, die beantragt wurden bzw. gewährt werden, im Rahmen ihrer Tätigkeit seit Jahren bekannt.

Jannack: Warum ist der Zustand trotz der Lage an einer Hauptstraße und neben einer Schule nicht vorher aufgefallen?
Brüning: Diese Frage kann nicht beantwortet werden. Sie unterstellt, dass der Zustand des Gebäudes nicht aufgefallen sei. Der Verwaltung ist nicht bekannt, wem dies an diesem Ort nicht vorher aufgefallen ist.

Jannack: Welche gesundheitlichen Gefahren gehen vom Müll vor dem Gebäude und vom baulichen Zustand des Gebäudes für die Bewohner und für die Allgemeinheit aus?
Brüning: Zurzeit gehen nach Einschätzung des Gesundheits- und Veterinäramtes weder vom Müll noch vom Gebäudezustand gesundheitliche Gefahren für die Allgemeinheit aus, die ein Eingreifen der Stadtverwaltung rechtfertigten.

Jannack: Welche Ämter sind mit dem Zustand des Gebäudes befasst und was wurde von diesen Ämtern unternommen?
Brüning: Das Gebäude befindet sich im Privateigentum und bleibt es aus Sicht der Verwaltung auch. Die Befassung mit seinem Zustand war seit Mitte Mai 2014 im Rahmen des Angebotes im Namen der Eigentümerin, es als Wohnunterkunft für Asylbewerberinnen und -bewerber herzurichten. Zu unterschiedlichen Zeiten und Einzelfragen waren und sind das Sozial- und Wohnungsamt, das Gesundheits- und Veterinäramt, die Ausländerbehörde, der Eigenbetrieb KGM, das Bauordnungsamt, Stadtplanungsamt, das Amt für Brand- und Katastrophenschutz mit der Klärung des verwaltungsseitigen Vorgehens und der Genehmigungsfähigkeit befasst.

Jannack: Welche Hilfen wurden den Bewohnerinnen und Bewohnern nach Bekanntwerden ihrer Wohnumstände durch das Sozial- und Wohnungsamt sowie weitere Behörden angeboten?
Brüning: Den Bewohnern standen bereits vor den Medienberichten alle Hilfen zur Verfügung, die durch die Sozialgesetzgebung vorgesehen sind. Im Jahr 2010 haben zum Beispiel Mitarbeiter des Jobcenters aus gegebenem Anlass bei einer Besichtigung vor Ort Umzugshilfe angeboten, die allerdings nicht angenommen worden ist. Hilfen werden in Anspruch genommen, soweit sie beantragt wurden. Voraussetzung ist, dass ein individueller Rechtsanspruch besteht. Nähere Ausführungen sind auf Grund des Sozialdatenschutzes nicht möglich. Die Eigentümerin selbst sorgt für Wohnangebote, damit die Betroffenen zeitnah aus dem Westring 34 ausziehen. Mitarbeiterinnen des Sozial- und Wohnungsamtes begleiteten die Erörterung der Umzüge der Bewohnerinnen und Bewohner durch den Eigentümer-Vertreter, geben Hinweise zur Wohnraumsuche.

Jannack: Wann wurde welches Amt der Landeshauptstadt Magdeburg gegenüber den Mietern von sich aus aufklärend und beratend tätig, um die Unterkunftssituation der Mieter zu verbessern? Was waren die Ergebnisse?
Brüning: Aufklärende Tätigkeit verlangt auf Seite der Betroffenen die Bereitschaft, sich aufklären zu lassen. Hinweise auf Hilfen haben die Bewohner vor Ort im August 2014 durch Mitarbeiterinnen des Sozial- und Wohnungsamtes erhalten (vgl. Antwort zu Frage 5).Eine Beratung ist nicht in Anspruch genommen worden.

Jannack: Sind der Landeshauptstadt Magdeburg weitere Fälle bekannt, in denen Mieter in ähnlichen Verhältnissen wohnen müssen?
Brüning: Ich weise auf die notwendige Klarstellung hin, was der Fragesteller mit der Landeshauptstadt Magdeburg meint. Allerdings unterstellt er, es gebe in Magdeburg Mieter (und Mieterinnen), die unter ähnlichen Verhältnissen leben müssen. Das ist ausgeschlossen. Niemand ist gezwungen, unter solch katastrophalen Verhältnissen zu leben.

Jannack: Wie kam die Landeshauptstadt Magdeburg im Gegensatz zum Jahr 2001 zur Auffassung, dass der Kauf und die Sanierung des Gebäudes gerechtfertigt sind?
Brüning: Der Fragesteller ist offensichtlich nicht richtig über das Gebäude und die Absichten der Verwaltung informiert. Richtig ist: a.) Das Gebäude diente als Unterkunft für deutsche Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, die dort betreut worden sind. Die Nutzung wurde nicht wegen eines hohen Sanierungsaufwandes, wie der Fragesteller behauptet, sondern mangels Bedarfs zur Unterbringung von Spätaussiedlern aufgegeben. b) Dass die Landeshauptstadt Magdeburg das Gebäude Westring 34 zu kaufen beabsichtigte, ist weder der öffentlich zugänglichen Drucksache DS0263 noch einem der Verwaltung bekannten Medienbericht zu entnehmen.