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Hitzige Debatte Flüchtlingshilfe ja, aber ...

In Neu-Olvenstedt sollen in einem leeren Plattenbau im kommenden Jahr 150 Flüchtlinge einziehen. Die Einwohnerversammlung in der Grundschule "Am Grenzweg" zeigte, wie groß die Ablehnung bei Teilen der Bevölkerung ist - aber auch, wie viel Zustimmung die Pläne finden können.

21.11.2014, 02:06

Magdeburg l Im Vorfeld der Einwohnerversammlung hatte der Sicherheitsdienst bei der Polizei um Unterstützung gebeten. Vier Beamte patrouillierten am Mittwochabend auf dem Gelände der Grundschule "Am Grenzweg", weitere auf Abruf in Schulnähe. Obwohl im Vorfeld mehr als 40 Fragen an den Oberbürgermeister und die Verwaltung herangetragen worden waren, drehte sich fast die gesamte Diskussion mit den 140 Gästen um die Flüchtlingswohnungen, die in einem leer stehenden Block am Bruno-Taut-Ring eingerichtet werden. 150 Plätze für Flüchtlingsfamilien sollen so entstehen.

Im Saal waren auch zwei Dutzend offensichtliche Gegner dieser Pläne. Diese fielen vor allem durch verbale Entgleisungen auf. Da war davon die Rede, dass man Angst vor den "Braungebrannten" habe, diese "Kanaken" kriminell seien und sich in Neu-Olvenstedt einige bewaffnen wollen, wenn die Flüchtlinge kämen.

Verbal entschärft wurde die Situation erst, als eine Frau vom Oberbürgermeister forderte, vom Hausrecht Gebrauch zu machen, und Leute, die sich fremdenfeindlich äußern, des Hauses zu verweisen. Zwar gab es dafür Buhrufe, der Applaus war aber deutlich lauter. In der Folge verließen etwa ein Dutzend Personen freiwillig den Raum. Der Diskussion tat das gut, sie verlief danach sachlicher.

So wollte etwa eine Frau vom Oberbürgermeister wissen, was dran sei an dem Brief von der Wohnungsgenossenschaft "Otto von Guericke", dass die Flüchtlinge nun doch nicht in den Block 89 bis 92 ziehen würden (Volksstimme berichtete). Diese Frage war von vielen mit Spannung erwartet worden, da mit Oliver Hornemann, (Otto von Guericke) und Heinrich Sonsalla (Wobau) auch die beiden Chefs der Wohnungsunternehmen, um die es ging, da waren. Trümper betonte, dass der Vertrag mit der Wobau bereits geschlossen und der Brief der Wohnungsgenossenschaft "Otto von Guericke" "schlechter Stil" sei, sich aber an den Plänen nichts geändert habe.

"Die Blöcke stehen seit zwei Jahren leer", sagte Sonsalla auf den Vorwurf, dass man die Häuser bewusst entmietet habe. Mittlerweile habe man in Neu-Olvenstedt einen minimalen Leerstand. "Wir haben in diesen Stadtteil Millionen investiert", so Sonsalla.

Laut einer Quartiersvereinbarung sollten die Plattenbauten (Putzerhof) am Bruno-Taut-Ring abgerissen werden. Dass es anders kommt, erfuhr die Öffentlichkeit erst Ende Oktober, als der Sozialbeigeordnete Hans-Werner Brüning die Pläne für die Unterbringung der steigenden Anzahl von Flüchtlingen in Magdeburg bekannt gab. Ein Gespräch mit den Anwohnern hat es zuvor nicht gegeben. Auch die Wohnungsgenossenschaft erfuhr von den Plänen aus der Volksstimme. "Für uns war das ein Schlag ins Gesicht", sagte Genossenschaftsvorstand Oliver Hornemann. Am Rande der Veranstaltungen sagten mehrere Anwohner, dass man Angst habe, dass Olvenstedt wieder einen schlechten Ruf bekomme. In den 90er Jahren war der Stadtteil aufgrund zahlreicher Übergriffe in die Schlagzeilen geraten. "Warum bekommen gerade wir ein Flüchtlingsheim? Da ist Ärger vorprogrammiert", sagte eine Anwohnerin, die namentlich aber nicht genannt werden möchte.

Auch Trümper galt anfangs als Gegner eines Flüchtlingsblockes in Olvenstedt. Da nun aber die Flüchtlinge auf mehrere Standorte in der ganzen Stadt verteilt werden, schwenkte er um. Deshalb warb Trümper bei den Anwohnern um Verständnis und versuchte, auf jede noch so hanebüchene Wortmeldung sachlich zu reagieren. "Das sind Menschen aus Kriegsgebieten. Wenn die zu uns kommen, dann müssen wir helfen", sagte er. Applaus bekam Trümper für sein Schlusswort. Er sagte, dass jeder andere so behandeln solle, wie er selbst behandelt werden wolle.

Deutliche Kritik am Tag nach der Versammlung kam noch einmal von der Stadtratsfraktion der Grünen. "Dass eine Magdeburger Wohnungsbaugenossenschaft in Briefen Stimmung gegen das Vorhaben macht, verbietet sich und sollte durch das Unternehmen unverzüglich wiedergutgemacht werden", sagte der Landtagsabgeordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat, Sören Herbst.