1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Wenn Eltern ihre Kinder für Sex verkaufen

Kindesmissbrauch Wenn Eltern ihre Kinder für Sex verkaufen

Eine Mutter bietet ihre Tochter gegen Geld für Sex an. Fälle wie dieser, über den jetzt ein Gericht verhandelt, sind selten. Für die Ermittler ist es schwierig, überhaupt davon zu erfahren.

Von Claudia Kornmeier 27.03.2015, 07:39

Dresden/Magdeburg (dpa) | Wenn Eltern ihr eigenes Kind an fremde Männer für Sex verkaufen, müssen natürliche Schutzinstinkte versagt haben. Von Freitag an befasst sich das Landgericht Magdeburg mit einem solchen Fall. Angeklagt ist eine 35-Jährige, die ihre minderjährige Tochter und ihre eigene Schwester gegen Geld für Sex-Dienste angeboten haben soll. Häufig sind solche Fälle nicht. Für Ermittler sind sie aber besonders schwierig aufzudecken.

"Für so ein elterliches Verhalten gibt es nicht den einen Grund", sagt die stellvertretende Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes Cordula Lasner-Tietze. So etwas passiere beispielsweise, wenn die Mutter oder der Vater selbst labil oder psychisch krank sind und deshalb die Folgen ihres Verhaltens nicht durchschauten. Sofern Eltern selbst als Kind in einer ähnlichen Situation gewesen seien, könnten sie eventuell gar nichts Verwerfliches darin finden.

Eltern, die zu so etwas in der Lage sind, hätten eine gestörte Beziehung zu ihrem Kind, urteilt Julia von Weiler vom Kinderschutzverein "Innocence in Danger". "Das schließt nicht aus, dass es liebevolle Momente gibt."

Sexueller Missbrauch in der Form, dass Eltern ihre Kinder für Sex anbieten, kommt nur selten vor. Meist geschehe Missbrauch unentgeltlich und ohne Vermittler, sagt Holger Kind vom Bundeskriminalamt. In den vergangenen 20 Jahren sei ihm nur wenige Male etwas Vergleichbares bekanntgeworden. In einem Fall sei ein Kind über einen Online-Handelsplatz angeboten worden, dahinter steckten manchmal aber auch Betrüger. Von Weiler hat schon erlebt, dass Kinder innerhalb eines Freundeskreises herumgereicht werden.

Die Verwandtschaft zwischen Täter und Opfer macht es für die Ermittler nicht einfacher. Dass Eltern ihren Nachwuchs wie eine Ware anbieten, sei sehr degradierend und erhöhe für die Kinder die Hemmschwelle, über den Missbrauch zu reden, erklärt Psychologin Weiler. "Außerdem schwingt die Angst mit, auch in den Augen desjenigen, dem man von dem Missbrauch erzählt, zur Ware zu werden." Der Missbrauch zieht sich laut Ermittler Kind dann meist über mehrere Jahre hin und werde oft erst von Dritten angezeigt.

Auch auf die Mutter, die vor dem Landgericht Magdeburg angeklagt ist, sind die Ermittler eher zufällig gestoßen: Zwei Freier, an die die Frau die Mädchen verkauft haben soll, waren anlässlich einer Hausdurchsuchung bei einem anderen Mann aufgefallen. Die Beamten hätten dort Videos gefunden, die den Missbrauch der beiden Mädchen vor laufender Kamera zeigten, sagte der Leipziger Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz.

Der Prozess gegen die beiden Männer hat bereits vergangene Woche in Leipzig begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, die Mädchen missbraucht und dabei gefilmt zu haben. Die Videos sollen sie ins Internet gestellt haben. Die Angeklagten kündigten vor Gericht an, sich zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Anfang April wird das Verfahren gegen sie fortgesetzt.

Damit es überhaupt zu einer Strafverfolgung kommen kann, brauchten Kinder ein waches soziales Umfeld, sagt Lasner-Tietze. Sie müssten erst lernen, Grenzüberschreitungen von Erwachsenen zu erkennen, und müssten wissen, an wen sie sich wenden können. Selbst Hilfe zu holen, brauche ein gewisses Selbstbewusstsein. "Es setzt voraus, dass das Kind noch nicht zerbrochen ist."