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Kulturhistorisches Museum Magdeburg entdeckt sein Mittelalter

Ab Freitag können Besucher des Kulturhistorischen Museums den neuen Ausstellungsteil bis zur Reformation besichtigen. Bis dahin ist noch viel zu tun.

Von Martin Rieß 11.06.2015, 03:25

Magdeburg l Bedächtig platziert Dr. Ulrike Theisen, Historikerin und Expertin für Vor- und Frühgeschichte, die Ausstellungsstücke in der Vitrine. Ab Freitagmorgen werden hier die Besucher in das Magdeburg des Mittelalters eintauchen können. Sie sagt: "Hier sind beispielsweise ein paar wunderschöne Fibeln und hier ein Würfel."

Eine besondere Herausforderung beim Aufbau dieser Ausstellung: Das Museum verfügt über rund 200 000 Artefakte aus dem Mittelalter. 15 000 bis 20 000 wären als Ausstellungsstücke geeignet. Doch für diese würden die drei Räume auf keinen Fall ausreichen. "Daher mussten wir uns genau überlegen, welche Objekte in die Ausstellung kommen."

Das geschah in den vergangenen beiden Jahren in einer Gruppe, die vom Mittelalter-Fachmann Dr. Claus-Peter Hasse geleitet wird. Er stimmt seiner Kollegin zu und sagt: "Die Herausforderung besteht darin, eine Ausstellung zu schaffen, die waschechte Magdeburger ebenso wie Touristen und Zugezogene interessiert." Das Schöne am Kulturhistorischen Museum sei, dass hier aus sehr verschiedenen Originalzeugnissen aus der Vergangenheit ausgewählt werden kann. Damit gibt es neben Keramik und Glas beispielsweise auch Steinmetzarbeiten, Werkzeuge und Kunstschmiedearbeiten zu sehen.

Zwei Jahre für die Vorbereitung einer Ausstellungserweiterung wird von den Beteiligten als eine realistische Größe eingeschätzt. Immerhin muss diese Arbeit gleichzeitig passieren, wenn andere Arbeiten wie die Vorbereitung von Sonderausstellungen erledigt werden müssen. Apropos Sonderausstellungen: Im Unterschied zu solchen muss bei einer Dauerausstellung darauf geachtet werden, dass das Material viele Jahre hält, dass die Farben nicht verbleichen und dass die Ausstellungsstücke auf die Dauer keinen Schaden vom Tageslicht nehmen.

Ein Großteil der Stücke liegt am Mittwoch bereits an Ort und Stelle, andere müssen noch einsortiert werden. An manchen Vitrinen hängen Zettel mit dem Hinweis, dass diese fertig sind - und damit auch geputzt und poliert.

Die Farben und Tafeln müssen auch hier stimmen

Damit all die Objekte den richtigen Ort finden, haben viele weitere Mitarbeiter des Museums mit angepackt. Zu ihnen gehört Jeannette Lieberwirth als Ausstellungsgestalterin. Sie sagt: "Da dieser neue Abschnitt als Teil der Ausstellung zur Stadtgeschichte zu verstehen ist, sollte er sich auch vom Erscheinungsbild einfügen."

Das bedeutet: Es wird mit den bekannten Tafeln gearbeitet und auch mit den vier Farben, Silber und Weiß, die es in den anderen Bereichen schon gibt. Eine besondere Herausforderung für eine Ausstellungsgestalterin ist in diesem Zusammenhang auf jeden Fall, dass sich die Vitrinen in sehr unterschiedliche Räume einfügen müssen, die sich beispielsweise durch Raumaufteilung, Decken und Fußböden deutlich unterscheiden.

Während für die Ausstellungsgestalterin viele Arbeiten schon gelaufen sind - immerhin war sie von Anfang an in der Gruppe zur Entwicklung des neuen Ausstellungsbereichs dabei - steckt Jens Kutzner mittendrin in der Arbeit. Er leitet den Bereich Haustechnik, hat Erfahrung mit Dauer- wie mit Sonderausstellungen und sagt: "Wir liegen gut in der Zeit, das schaffen wir bis zur Eröffnung." Vor etwa sechs Wochen ist sein Bereich in den Aufbau eingestiegen. Auch die Zeit für unvorhergesehene Arbeiten war eingeplant. "Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Ausstellungsstück an einer anderen Stelle gezeigt werden soll."

Klar: Bei kleineren Exponaten ist es oft kein Problem, es an einer anderen Stelle in der Vitrine anzuordnen. Wenn aber ein 300-Kilogramm-Brocken an einer anderen Stelle gezeigt werden soll, bedeutet das Mehrarbeit.

Mitarbeiter haben ihre Lieblingsstücke entdeckt

Persönliche Lieblingsstücke gibt es übrigens auch schon. Ulrike Theisen zeigt auf eine Amulettkapsel, die auf die Zeit 580 bis 680 datiert wird. "Im Römischen Reich trugen junge Männer Amulette in Kapseln, bei den Franken trugen höhergestellte Frauen solche Gefäße am Gürtel." Das Besondere an dem Ausstellungsstück: Gerade einmal 80 Amulettkapseln sind nördlich der Alpen gefunden worden, eine davon in Magdeburg. Das wiederum zeigt, dass Magdeburg schon lange vor der ersten urkundlichen Erwähnung ein bedeutender Handelsort war, an dem die Menschen aus verschiedensten Regionen aufeinandertrafen.

Claus-Peter Hasse begeistert sich besonders für eine Gruppe von Krückstöcken. Diese wurde am früheren St.-Annen-Hospital unweit der heutigen Goldschmiedebrücke gefunden. Er sagt: "Bei den Stöcken handelt es sich dabei um individuelle Anfertigungen. Sie zeigen, wie man sich auch damals um die Kranken und Schwachen kümmerte."

Und: Es handelt sich um Holzstöcke. Selbst wenn im Mittelalter die meisten Gegenstände des täglichen Lebens aus diesem Material gefertigt wurden, haben nur wenige von ihnen die Zeit überstanden. Das Glück im Falle der Krücken: Sie landeten irgendwann in einer Abfallgrube, wo sie vom saurem Milieu der Umgebung konserviert wurden.

Weitere Bilder von Objekten im neuen Ausstellungsteil unter www.volksstimme.de/magdeburg im Internet.