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Gastronomie Der Zuckerbäcker aus Teheran

Vor zehn Jahren floh Farzam Alimohammadiha als politisch Verfolgter aus dem Iran nach Magdeburg. Jetzt verführt er als Zuckerbäcker zum Naschen von Köstlichkeiten aus dem Nahen Osten.

Von Stefan Harter 21.06.2015, 11:48

Magdeburg l Baklava, Bülbül, Schöbiet, Buruglu oder Mamoul heißen die kleinen Happen, die in den Auslagen der "Safran"-Bäckerei in der Otto-von-Guericke-Straße allen Naschkatzen die Auswahl schwer machen. Mit exotischen Spezialitäten vor allem aus dem türkischen und arabischen Raum füllt sie eine kulinarische Lücke in der Landeshauptstadt. Dabei kommen die Inhaber, Farzam Alimohammadiha und seine Frau Rahele Nurieva, weder aus der Gegend noch sind sie gelernte Bäcker.

Er kommt aus dem Iran, sie wurde in Aserbaidschan geboren. Dort lernten sie sich auch 1997 kennen und lieben. Nach der Rückkehr nach Teheran studierte Farzam Metallurgie und war während dieser Zeit auch politisch aktiv. Weil bereits sein Vater als Bankprüfer ranghohen Politikern in die Quere kam, hatte er bald Probleme. Schließlich landete er für mehrere Monate im Gefängnis. Bei einem Hafturlaub 2006 nutzte er die Chance und floh mit Rahele und seinem damals fünfjährigen Sohn nach Deutschland. Nach drei Monaten in der zentralen Anlaufstelle in Halberstadt kam die Familie nach Magdeburg und versuchte sich hier ein neues Leben aufzubauen.

Zwei Jahre konnte der Diplomingenieur als Schweißer arbeiten, später übernahm er qualifiziertere Aufgaben, wurde aber weiter wie ein Schweißer bezahlt. Irgendwann hatte er genug, gesundheitliche Probleme kamen dazu. Er kündigte und suchte nach einer neuen Aufgabe. Er bat beim Jobcenter um Weiterbildungen, wurde aber abgewiesen.

Im vergangenen Jahr fassten Farzam und Rahele, die mittlerweile längst wegen politischer Verfolgung als Flüchtlinge anerkannt sind, den Entschluss: "Wir machen uns selbstständig". Doch womit? Da ein exotischer Bäcker in Magdeburg noch fehlte, entschieden sie sich dafür, die Ersten zu sein. Ein Jahr lang waren sie auf der Suche nach einem geeigneten Objekt. "Niemand wollte uns einen Laden geben", sagt Farzam. Die Wobau gewährte ihnen schließlich die Chance im Erdgeschoss ihres eigenen Wohnhauses.

Weil die Denkmalschutzauflagen für das Haus so hoch und der Einbau einer Lüftung entsprechend teuer sind, werden all die kleinen Köstlichkeiten aus dem Nahen Osten in der Kastanienstraße gebacken. Ein Türke und ein Araber sind dort täglich am Werk, um nach Rezepten aus ihrer Heimat zu backen. Aus dem Iran kommen nur die Pistazien als eine der Hauptzutaten. Die Gemeinde in Magdeburg ist sehr klein, die türkische und arabische Gruppe hingegen recht groß, erklärt Farzam den süßen Schwerpunkt. 95 Prozent seiner Kunden seien aber Deutsche, sagt er, der von Montag bis Sonntag hinter dem Tresen steht. "Ich will arbeiten. Ich werde böse, wenn jemand nicht arbeiten will", sagt der Zuckerbäcker aus Teheran und wendet sich den nächsten Kunden zu, die neugierig die süßen Spezialitäten bestaunen.