1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Sören Herbst: "Beschönigung von unschönen Bildern"

Abschiebung Sören Herbst: "Beschönigung von unschönen Bildern"

27.06.2015, 01:04

Magdeburg (kt ) l Einen "friedlichen und ruhigen Einsatz" attestieren Mitarbeiter der Magdeburger Ausländerbehörde der Polizei bei der sogenannten "Rücküberstellung" eines jungen Afrikaners in sein europäisches Ersteinreiseland Italien am Donnerstagmorgen gegen 4 Uhr. Die Amtsleute hatten den Einsatz an die Polizei übergeben, weil sich am vereinbarten Abreiseort (Straßenbahnendhaltestelle Westerhüsen) rund 70 Abschiebegegner schützend um den jungen Afrikaner stellten.

Polizisten holten den Mann unter Köpereinsatz aus der Menge. Wie hart er war, darüber scheiden sich die Geister. Einzelne Blockierer waren am Donnerstag im Stadtrat erschienen und sprachen von Verletzten (Prellungen, Schürfwunden). Ein Medizinstudent trat zur Bürgerfragestunde ans Mikrofon, beschrieb die Diskrepanz zwischen Realität ("gewaltsames Vorgehen") und amtlicher Stellungnahme und fragte: "Ist es verhältnismäßig, so massiv gegen friedliche Demonstranten vorzugehen?"

Der Ordnungsbeigeordnete Holger Platz (SPD) drehte den Spieß um: "Diejenigen, die hier staatliches Handeln blockieren, begehen Nötigung, gegebenenfalls Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollzugsbeamte. Wir sind hier im strafrechtlich relevanten Bereich." Er, Platz, vertraue auf die Aussagen einer erfahrenen Mitarbeiterin der Ausländerbehörde, die zum fraglichen Zeitpunkt anwesend war. Sie habe keine polizeilichen Gewaltexzesse feststellen können, aber auch keine Gewaltanwendung seitens der Demonstranten, "und so, wie ich sie kenne, sagt sie die Wahrheit", so Platz.

Natürlich, setzte er nach, sei das Attribut "friedlich" mit Blick auf die Situation vielmehr relativ zu verstehen. "Persönlich bin ich an solchen Bildern überhaupt nicht interessiert und daran, dass sie in die Welt hinausposaunt werden und ein Zerrbild über unsere Stadt zeigen." Platz gibt eben dafür den Aktivisten die Schuld, die am Donnerstag zum dritten Mal in Folge versuchten, eine Abschiebung zu blockieren. Platz: "Wir haben uns das einmal angesehen und noch einmal und dieses Mal entschieden, das ziehen wir jetzt durch."

Als später der Grüne Sören Herbst ebenfalls Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes äußerte und die Verwaltung der "Beschönigung von unschönen Bildern" bezichtigte, wurde Platz noch deutlicher: "Es kann nicht sein, dass eine bestimmte Masche dazu führt, dass wir als Staat handlungsunfähig sind."

OB Lutz Trümper ließ keinen Zweifel daran, dass die Stadt gewillt bleibt, vom Bund angeordnete Abschiebungen konsequent umzusetzen: "Wir werden das auch weiterhin tun." Natürlich müsse sich die Verwaltung vor dem Hintergrund wiederkehrender Blockaden fragen: "Will ich das jetzt jede Woche haben? Wenn das Spiel so weitergeht, können wir Abschiebungen künftig nicht mehr ankündigen." Heißt: Wer nicht freiwillig ausreist, müsste wieder binnen Stundenfrist die Koffer packen - zur unangekündigten Zwangsabschiebung.