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Kleingärten Die Angst um die Scholle bleibt

Die Stadt versucht die Wogen zu glätten: Das Kleingartenkonzept sei nur Diskussionsgrundlage. Doch viele Gärtner sorgen sich.

Von Martin Rieß und Alexander Dinger 28.08.2015, 20:26

Magdeburg l Seit Tagen sorgt die von der Verwaltung vorgelegte Kleingartenkonzeption für Aufregung unter den Magdeburger Kleingärtnern: Von mehr als 15.000 auf 11.000 bis 13.000 würde demnach die Zahl der Parzellen in der Stadt sinken. Baubeigeordneter Dieter Scheidemann versucht im Bauausschuss die Wogen zu glätten: "Niemand soll aus seinem Garten vertrieben werden, um Bauland zu schaffen. Der Entwurf für diese Konzeption soll doch nur erst einmal Grundlage für die Diskussion sein." Und keine funktionierende Sparte solle infrage gestellt werden. Dennoch müsse man sich Gedanken über die Zukunft machen. Hintergrund: In Magdeburg liegt die Leerstandsquote mit 9,1 Prozent weit unter dem Landesdurchschnitt. Im Jahr 2009 lag sie gerade einmal bei 1,6 Prozent. Es müsse darum gehen, den Kleingartenvereinen zu helfen, die nicht mehr genügend Parzellen belegen können. Denn dann steigen für die verbliebenen die Kosten, und es wird noch schwieriger, Interessenten zu finden.

All dem trauen aber weder die Stadträte noch die Kleingärtner. Im Bauausschuss kritisierte SPD-Stadtrat und Fraktionsvize Falko Grube die Vorgehensweise und die damit verbundene Verunsicherung der Kleingärtner. Auch Olaf Meister, Fraktionsvorsitzender der Grünen, zerpflückte das Konzept: "Es fehlte weitgehend an einer Einbeziehung der Betroffenen und einer ergebnisoffenen Diskussion des Konzepts." Er kritisierte, dass die Fachgruppe Kleingartenwesen, in der Mitglieder aller Fraktionen und Vertreter des Gartenverbandes sitzen, sich inhaltlich vorab mit der Konzeption nicht hätte auseinandersetzen können. Außerdem kritisiert Meister, dass das Konzept auf die Frage, ob eine Sparte funktioniert oder nicht, nur ungenügend Rücksicht nimmt.

Auch bei den Kleingartenvereinen ist der Unmut noch immer groß. Fast alle äußern Unverständnis darüber, dass man nicht einbezogen wurde. Eines von vielen Beispielen ist der Kleingartenverein am Klusweg in Alt-Olvenstedt. Laut Kleingartenkonzeption ist in der aus 30 Schollen bestehenden Anlage ein Einsparpotenzial von 30 Parzellen, die zu Bauland werden könnten, vorhanden. Dabei ist die Anlage voll belegt, nur eine Parzelle steht leer. "Wir haben von dieser Konzeption aus der Zeitung erfahren. Es ist einfach unanständig, so etwas nicht mit den Betroffenen vorab zu besprechen", sagte Vereinsmitglied Jan Braune der Volksstimme.

Stellenwert des Gartens hat abgenommen

Roland Zander von der Gartenpartei kritisiert auch, dass mit alten Zahlen gearbeitet würde. Wichtig sind diese Zahlen, da an ihnen die Prognosen für die Zukunft von den Autoren der Studie aus dem Büro für Stadt-, Regional- und Dorfplanung aus Irxleben erstellt werden. Eine Rolle spielen aber eben nicht nur die Leerstandsquoten. So hat der Stellenwert des Kleingartens seit 1990 abgenommen. Die Selbstversorgung mit Obst und Gemüse ist nicht mehr so bedeutsam, und auch das Angebot für Freizeit und Urlaub ist vielfältiger geworden. Daneben nimmt die Zahl der Singlehaushalte zu - und die, so die Autoren der Studie, bewirtschaften seltener Parzellen als Familien. Und dann wäre da noch der Trend zu Eigenheimen, deren Bewohner angesichts des eigenen Gartens oft nicht noch einer Parzelle im Kleingartenverein bedürfen. All diese Faktoren sind in die Szenarien eingeflossen, die auf ebenjenen Bedarf von 11.000 bis 13.000 Parzellen in Magdeburg kommen. Ein großer Teil der Kleingärten könnte an den Stellen entfallen, die ohnehin nicht sonderlich geeignet sind: Wo die Lärmbelastung beispielsweise höher als 70 dB liegt, wo Platz für Wege und Straßen benötigt wird, wo Spielplätze und Parks gebraucht werden.

Doch die restlichen Parzellen, die nicht mehr gebraucht werden? Im Gespräch sind da gerade auch die, die sich gut weiterverwerten ließen. Und zwar möglichst innenstadtnah und als Bauland. Das mag städteplanerisch einleuchten - wegen des Bedarfs gerade in der Nachbarschaft dichtbesiedelter Gebiete sitzen die Zweifel aber tief.