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160-mal haben die 16 Helfer die Polizei und Feuerwehr im vergangenen Jahr unterstützt Notfallseelsorger im Rekordeinsatz: Team noch nie so oft im Einsatz wie im Jahr 2011

Von Matthias Fricke 21.02.2012, 05:30

Sie stehen Unfallopfern und Angehörigen zur Seite, wenn das Leid am größten ist. 16 Notfallseelsorger bieten Trost, Gespräche oder einfach nur eine stützende Schulter. Immer häufiger werden sie zum Einsatz gerufen und suchen deshalb dringend Nachwuchs.

Magdeburg l Freitag, 23. September, 6.30 Uhr: Ein Linienbus fährt in der Lübecker Straße auf einen Lkw auf. Acht Menschen werden durch den Aufprall innerhalb des Busses verletzt. Der Fahrer wird eingeklemmt, muss später von der Feuerwehr und dem Notarzt aus dem Wrack befreit werden. Menschen schreien, wimmern, haben Panik. Ein Erlebnis, das vielen nicht so schnell aus dem Kopf gehen wird, einigen möglicherweise nie.

Wenn die Opfer des Unfalls immer wieder nachts von den Erinnerungen an jenen Tag aufwachen, nennt man es posttraumatisches Belastungssyndrom. Die 16 Mitarbeiter der Notfallseelsorge können eine solche Verletzung der Seele nicht verhindern, aber möglicherweise eingrenzen - allein durch sogenannte Entlastungsgespräche an Ort und Stelle sowie durch das Aufzeigen professioneller Hilfsangebote.

Und manchmal helfe es, wenn einfach mal in unübersichtlichen Krisensituationen jemand ein offenes Ohr für einen hat, erklärt Ines Bunk vom Seelsorger-Team. Aus diesem Grund werden die Seelsorger nicht nur zu fast jedem Unfall mit Personenschaden von den Magdeburger Verkehrsbetrieben gerufen, sondern immer häufiger auch von der Polizei und dem Rettungsdienst eingesetzt. 160-mal waren die Ehrenamtlichen im vergangenen Jahr im Einsatz. So viel wie noch nie. Die Zahl lag immer zwischen 100 und 120 Einsätzen im Jahr, mit steigender Tendenz.

"Nach unserer Bilanz haben wir im vergangenen Jahr am häufigsten Angehörige nach einem häuslichen Todesfall und erfolgloser Reanimation des Patienten betreut", so Ines Bunk. Statistisch gesehen folgen Einsätze nach Suiziden und der Unterstützung der Polizei bei der Überbringung von Todesnachrichten. Letzteres unterstützt die Beamten nicht nur bei ihrer täglichen Arbeit, sie hilft vor allem auch den Angehörigen. "Das ist für uns ein wertvolles Instrument zur Unterstützung bei der Bewältigung traumatischer Situationen", erklärt Polizeisprecherin Beatrix Mertens. Auch die Beamten selbst würden die Dienste zur Verarbeitung bestimmter Erlebnisse in Anspruch nehmen.

Die Notfallseelsorger mussten sich in den vergangenen Jahren erst ihren guten Ruf hart in den Dienststellen erarbeiten und immer wieder auf ihr Angebot aufmerksam machen. Denn oft wird auch schlichtweg vergessen, sie zu alarmieren, obwohl es die Lage vor Ort eigentlich erforderlich machen würde. Ines Bunk: "Im Regelfall werden wir über die Leitstelle der Feuerwehr über einen Funkalarmempfänger (Pieper) alarmiert. Veranlasst wird dies, wenn entweder Polizeibeamte, der Rettungsdienst, der Notarzt oder die Feuerwehr unsere Hilfe benötigen." Die Seelsorger telefonieren nach der Alarmierung mit der Leitstelle, um die wichtigen Daten für den Einsatz abzufragen. Mit dem Privatauto geht es dann umgehend zum Ort des Geschehens. "Wir haben uns selbst den Anspruch gestellt, dass wir im Regelfall innerhalb der nächsten 20 Minuten nach der Alarmierung am Einsatzort eintreffen", so die Notfallseelsorgerin. Dies sei oft mit hohem Aufwand und Engagement verbunden und so stoßen die Einsatzteams nicht selten selbst an ihre personelle Grenze. "Wir benötigen aus diesem Grund dringend Unterstützung und Nachwuchs", appelliert Ines Bunk.

Das Mindestalter für den Notfallseelsorger sind 25 Jahre. Es gebe aber auch Ausnahmen und sei vom Einzelfall wie persönlicher Reife oder beruflichen Ausrichtungen wie zum Beispiel bei Studenten der Sozialpädagogik, Psychologie oder Medizin abhängig. Hohe psychische und physische Belastbarkeit werden ebenso erwartet wie eine Fahrerlaubnis und die Bereitschaft, nach der Ausbildung mindestens ein Jahr ehrenamtlich im Team mitzuarbeiten. Die Arbeit im Team wird begleitet durch regelmäßige Teamsitzungen, Einsatznachbesprechungen und Supervision sowie Fortbildungskursen an verschiedenen Instituten und Akademien. Das Notfallseelsorge-Team Magdeburg wurde im Frühjahr 1999 gegründet. "Nach einjähriger Vorbereitung und Ausbildung haben wir am 1. Januar 2000 unsere Einsatzbereitschaft aufgenommen. Zurzeit sind jeweils zwei Seelsorger vom Dienst rund um die Uhr über die Rettungsleitstelle Magdeburg alarmierbar", erklärt Ines Bunk.

notfallseelsorge@ek-md.de