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Evakuierungszentrum Altmark ist mit 360 Flutopfern und mehreren hundert Helfern voll / Lage in Magdeburger Notunterkünften entspannt sich Massenandrang in Stendal - und in Magdeburg bleiben die Betten leer

Von Sibylle Sperling und Nora Knappe 11.06.2013, 01:25

Magdeburg/Stendal l Der 74-jährige Manfred Herdan hat Glück. Er zieht aus dem Humboldt-Gymnasium an der Nachtweide in eine Jugendherberge in der Innenstadt, bekommt dort statt einer Feldliege ein richtiges Bett. Das ehemalige Gymnasium ist eine von drei Magdeburger Notunterkünften, die Flutopfern rund um die Uhr Schlafplätze, Essen, psychologische und medizinische Betreuung bieten. Einsatzkräfte aus allen Regionen Deutschlands sind hierhergekommen, um ehrenamtlich zu helfen.

Am Sonnabend ist der Sanitäts- und Betreuungszug vom Deutschen Roten Kreuz aus dem Saale-Holzland-Kreis mit 26 Mann und zehn Fahrzeugen angereist. Doch den Helfern bot sich zur Ankunft ein überraschendes Bild: Die für etwa 130 Personen ausgestattete Turnhalle war da nicht mal zur Hälfte belegt. "Wir haben mit mehr gerechnet", sagt Enrico Schmidt, Mitarbeiter der Einsatzleitung vom DRK. Von ihren Vorgängern hatten er und seine Mitarbeiter die Turnhalle mit 45 Betroffenen übernommen, am Montagmorgen waren es noch gut 20 Personen, die Feldbett und Mahlzeiten in Anspruch nahmen.

Für Enrico Schmidt ein gutes Zeichen: "Die Hochwasseropfer werden schnell weitervermittelt. Viele Privatpersonen melden sich bei uns, wollen Zimmer oder Ferienhäuser für die Opfer zur Verfügung stellen." Die Hilfsbreitschaft der Anwohner kenne keine Grenzen, erzählt er. Auch mit Kleidung, Spielsachen oder Schnittchen kommen sie, obwohl das DRK mit seiner Feldküche angereist ist.

Montagmittag um 12 Uhr gibt es bereits eine neue Zahl aus der Registrierung: Nur sieben Flutopfer werden die Nacht im Humboldt-Gymnasium verbringen. Denn gerade hat ein Einsatzfahrzeug des DRK etliche ältere Hochwasseropfer in die Jugendherberge verlegt. So wie Manfred Herdan: Der Rothenseer, der seit Sonntag 8 Uhr in der Turnhalle des Gymnasiums nächtigte und nun wieder umzieht, nimmt die Situation gelassen. "Ich bleibe, bis es Entwarnung gibt."

In der Berufsschule Stendal ist man derweil an der Kapazitätsgrenze angelangt. Knapp 400 Menschen vor allem aus Schönhausen und Fischbeck haben hier eine Notunterkunft gefunden, werden von DRK, Notfallseelsorgern und sogar Lehrern und Schülern der Berufsschule versorgt. Das DRK ist mit 70 Einsatzkräften vor Ort, hinzu kommen Helfer von Feuerwehr und Wasserrettung, die ebenfalls hier Unterkunft und Verpflegung bekommen. In den Klassenräumen zweier Gebäude sind Feldbetten aufgestellt, in der Turnhalle ist Essensausgabe. Täglich werden tausende Brötchen geschmiert und mehrere hundert Portionen Essen zubereitet.

Einsatzleiter Jens Kasselmann ist seit 30 Stunden auf den Beinen. Sonnabend war er mit seinen Kollegen vom Kreisverband Osnabrück-Land noch in Wittenberg, Sonntagmittag wurde das Evakuierungszen-trum in Stendal aufgebaut. "Es war alles hervorragend vorbereitet", lobt er den Einsatz der Lehrer vor Ort, die sich in Schichten rund um die Uhr organisiert haben, Betten aufgestellt haben, bei der Einweisung der Neuankömmlinge sowie der Kinder- und Haustierbetreuung helfen. Aber er sieht auch: "Die Ungewissheit, wie lange alles noch dauern wird, macht den Menschen am meisten zu schaffen."