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Bevor sie anpacken können, müssen viele Freiwillige warten / Koordination der Massen stößt an ihre Grenzen Aus Helferlust wird Helferfrust

Von Lion Grote 12.06.2013, 03:24

Magdeburg l Anstehen statt anpacken. Warten statt helfen. Viele Freiwillige wissen nicht wohin mit ihrer Arbeitskraft. Doch die Krisenstäbe bitten um Verständnis und Geduld.

Dienstag vergangener Woche: Während in Magdeburg langsam die Gewissheit wächst, was für eine Flut auf die Stadt zukommt, entschließt sich Susanne (25) aus Magdeburg zu helfen. Die junge Frau wählt die Helferhotline der Stadt. Sie möchte wissen, wann und wo sie am besten anpacken kann. Sandsäcke füllen, Wohnungen ausräumen, Brötchen schmieren - "ich wollte helfen, wo es geht", sagt Susanne Jung. Bei der Stadt lässt sie sich registrieren, gibt ihren Namen und Telefonnummer an. "Wir rufen Sie zurück, wenn Sie gebraucht werden", sagt die Stimme am anderen Ende zu ihr. Und dann: Stille. Bis heute kein Rückruf.

Susanne ist kein Einzelfall. Immer wieder erreichen die Redaktion Anrufe und Zuschriften frustrierter Helfer. Michael Reif von der Pressestelle der Landeshauptstadt bittet um Verständnis: "Die vielen Angebote sind beeindruckend. Aber eben auch schwer zu koordinieren. Wir geben uns Mühe, möglichst viele Helfer einzusetzen." Wo Hilfe gerade am dringendsten gebraucht wird, erfahren die Mitarbeiter der Hotline vom Katastrophenstab der Landesregierung. Hier laufen alle Fäden zusammen.

Auch dort ist bekannt, dass der Einsatz der freiwilligen Helfer nicht immer abläuft wie gewünscht. "Der Zulauf ist unglaublich", berichtet Mitarbeiter Michael Kraska. Bis zu 680 Anrufe gehen bei der Bürgerhotline des Katastrophenstabes täglich ein. "Aber mit einer solchen Ausnahmesituation wie jetzt hat niemand Erfahrung. Deshalb kann es auch keine Routine geben", sagt Kraska. Nicht nur für die Helfer, auch für die Einsatzstäbe sei die Situation manchmal unbefriedigend.

Susanne jedenfalls wollte nicht mehr länger auf einen Anruf warten. Obwohl sie selbst schon ihre Wohnung verlassen musste, machte sie sich auf den Weg. "Aber es war schwierig, einen Ort zu finden, an dem man wirklich gebraucht wurde", erzählt sie. Im Internet informierte sie sich über die aktuelle Lage und Hilferufe. "Aber man muss dann auch sofort losfahren." Nicht selten kamen mehrere hundert Helfer gleichzeitig an und standen sich buchstäblich gegenseitig im Weg. Hilferufe, die schon länger als eine Stunde im Internet waren, hat sie irgendwann ignoriert.

"Ich habe mich mit Freunden im Internet abgesprochen." - Susanne, Helferin

Am Montag teilte Magdeburg sogar mit, vorerst keine weiteren Helfer zu benötigen. Etwa 1500 sollen es zu diesem Zeitpunkt gewesen sein. Doch nicht nur bei den freiwilligen Helfern gibt es manchmal Schwierigkeiten. Auch die Koordination der professionellen Helfer stößt zuweilen an ihre Grenzen. So stellte das Land Baden-Württemberg vor einigen Tagen eine Anfrage an Sachsen-Anhalt wegen einer Hundertschaft, die hier helfen sollte. Nach einiger Unruhe stellte sich raus: Im Süden der Republik verwechselte man schlicht Sachsen-Anhalt mit Sachsen. Dort waren die Kameraden tatsächlich im Einsatz.

Hinzu kommt, dass manchmal an den offiziellen Krisenstäben vorbeigearbeitet wird. Feuerwehr-Freunde sprechen sich privat ab oder Partnerstädte schicken Delegationen. So tauchen plötzlich auch gut ausgerüstete Helfer auf, die nie angefordert wurden und auf keiner Liste stehen.

Dabei hat auch in der Katastrophe alles seine Ordnung. "Es ist zwar schön, dass diese Kontakte bestehen, aber ohne Absprache erschwert uns das die Arbeit", sagt Michael Kraska.

Irgendwann hatte aber auch Susanne einen Platz gefunden, wo sie anpacken konnte. "Ich habe mich mit Freunden im Internet abgesprochen und dann sind wir hingefahren", sagt die 25-Jährige.

Und ihre Hilfe wird auch in den kommenden Tagen benötigt. Gerade wenn das Wasser weg ist und offenbart, welche Schäden es angerichtet hat. Und auch Michael Reif hofft, dass sich noch viele Helfer bei der Hotline melden, trotz mancher Probleme oder Wartezeiten.