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Rädelsführerin des DDR-Volksaufstandes Rätselhafte Frau starb vor 60 Jahren

Von Wolfgang Schulz 30.09.2013, 01:19

Magdeburg l Am Dienstag ist es 60 Jahre her, dass Erna Dorn als Rädelsführerin des DDR-Volksaufstandes am 17. Juni 1953 in Halle unter dem Fallbeil starb. Auf dem Totenschein vermerkte der Arzt Dr. Strachowsky am 1. Oktober 1953 als Todesursache einer 41-jährigen Frau "Bronchopneumonie 431" sowie "acute Herz- und Kreislaufschwäche". In Wirklichkeit starb an diesem Morgen um 4 Uhr in der zentralen Hinrichtungsstätte in Dresden Erna Dorn unter der "Fallschwertmaschine". Sie galt als Rädelsführerin des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in Halle und war am 22. Juni 1953 vom Bezirksgericht Halle zum Tode verurteilt worden.

Ihr Leichnam kam in die Feuerbestattungsanstalt Dresden-Tolkewitz. Kein ungewöhnlicher Vorgang in jenen Tagen. Die Hingerichteten wurden umgehend eingeäschert und anonym beigesetzt. Die Bevölkerung sollte davon nichts wissen. Bei diesen "Verstorbenen" waren zunächst normal scheinende Todesursachen verzeichnet. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Krematoriums erinnert sich: "In diesen Särgen lag der Kopf zwischen den Beinen."

"Todesurteile und ihre Verschleierung gehörten zum Ins-trumentarium der SED", sagt die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Birgit Neumann-Becker. "Sie festigten die Macht, erstickten Widerstand im Keim, erzeugten Angst und Schrecken und sorgten für Ruhe nicht nur bei den sogenannten Provokateuren. Sie sorgten ebenso für Ruhe und Gefolgschaft bei der Justiz und in der Partei", so die Landesbeauftragte.

Der Fall Erna Dorn gibt bis heute Rätsel auf. Weder ihr Name noch ihre Herkunft sind geklärt. Völlig unklar ist auch ihre angebliche Rädelsführerschaft am 17. Juni. Fest steht lediglich, dass eine Kleinkriminelle unter diesem Namen am 17. Juni gegen 16 Uhr von den Aufständischen aus der Haftanstalt in der Kleinen Steinstraße in Halle befreit wurde. Was sie danach bis zu ihrer erneuten Verhaftung am 18. Juni gemacht hat, ist weder durch Zeugen noch durch Berichte von Polizei und Stasi belegt. "Dass sie sich am Volksaufstand überhaupt beteiligt hatte, konnte nie bewiesen werden", sagt Birgit Neumann-Becker. Es sei vielmehr wahrscheinlich, dass sie mit Gewalt zu Geständnissen gezwungen wurde, die dann zum Justizmord im Auftrag der SED geführt haben.

Am 22. März 1994 erklärte die Staatsanwaltschaft Halle das Todesurteil für rechtswidrig und hob es auf. Erna Dorn wurde nach 41 Jahren rehabilitiert. Heute erinnert eine Grabplatte auf dem Friedhof in Dresden-Tolkewitz an sie und 22 weitere von der DDR-Justiz zum Tode Verurteilte, die dort zunächst anonym beigesetzt worden waren.