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Nach einer Hochrechnung zieht jeder fünfte Einwohner in Sachsen-Anhalt vor Gericht Halle ist die Stadt der Streithammel

Von Matthias Fricke 15.11.2013, 02:10

Laut aktuellem "Streitatlas der Deutschen" kamen im vergangenen Jahr in Sachsen-Anhalt 20,4 Streitfälle auf 100 Einwohner. Am streitlustigsten erwiesen sich die Hallenser, im Salzlandkreis zogen die wenigsten Menschen vor Gericht.

Magdeburg l Der am Donnerstag veröffentlichte große deutsche Streitatlas räumt mit Vorurteilen auf: Die Harzer sollen ein zänkisches Bergvolk und die Altmärker streitwütig sein. Beides stimmt so nicht.

Mit 18 bis 19 Fällen auf 100 Einwohner liegen die beiden Regionen in Sachsen-Anhalt laut der aktuellen Untersuchung der Rechtschutzversicherung Advocard eher im unteren Durchschnitt. Zänkischer erweisen sich da die Hallenser, Anhalt-Bitterfelder, Dessauer und die Bewohner des Saalekreises.

Auch die Magdeburger zeigen sich bei Zivilverfahren vor den Gerichten eher konfliktfreudig.

Vor allem Männer sollen mit 68,1 Prozent nach der Auswertung von über einer Million Streitigkeiten von Privatpersonen in Deutschland häufiger einen Streit vom Zaun brechen. Oft geht es um ihr liebstes Kind, das Auto. Am häufigsten streiten beide Geschlechter aber um Alltagsthemen. In 37 Prozent der Fälle geht es um Privates, wie Handyverträge, Urlaubsärger oder Nachbarschaftsstreits.

Tausende Euro für eine überstehende Hecke

Dabei kann es mitunter auch heftig zur Sache gehen, wie Zivilrichter Michael Steenbuck vom Stendaler Landgericht weiß. Er kann sich an einen Fall vor einiger Zeit in einem Altmarkdorf erinnern. Es ging um eine Hecke. "Die Nachbarn hatten sich derart in der Wolle, dass sie einen Vermessungstrupp bestellten und alles genau untersuchen ließen. Dabei stellte sich heraus, dass die Grenz-Hecke etwa 30 Zentimeter über dem Grundstück ragte. Sie durfte zwar stehen bleiben, musste aber gekürzt werden", erinnert er sich. Tausende Euro wurden für Vermesser, Anwälte und das Verfahren ausgegeben. "Das treibt manchmal Blüten", sagt der Richter. "Man hätte einfach nur mal darüber reden müssen."

Sein Kollege vom Magdeburger Landgericht Thomas Kluger stellt auch fest: "Immer häufiger wird die Justiz von vielen auch als eine Art Versicherung angesehen. Wenn ein Motorradfahrer zu schnell durch eine Kurve im Harz fährt und verunglückt, ist nicht immer gleich der Straßenbauträger schuld."

Ein Drittel der Verfahren dauert länger als ein Jahr

Bei über einem Drittel der Streits geht es um Werte von mehr als 2000 Euro. Etwa elf Prozent der Fälle hatten sogar einen Streitwert von über 10000 Euro. Ein Drittel der Auseinandersetzung dauert länger als ein Jahr.

Die Hälfte der Klagen werden von den 36- bis 55-Jährigen geführt. Doch der Anteil der jungen Menschen zwischen 18 und 25 Jahren nimmt zu. Er liegt bei 19,5 Prozent.

Deutschlandweit ist Berlin die Streithauptstadt. Jeder vierte zankte sich dort. Bayern war demnach am friedfertigsten. Dort stritt sich jeder sechste.

Für die Studie herangezogen wurden über eine Million Streitfälle, die der Versicherung gemeldet wurden. Dazu zählen auch durch Meditation geschlichtete Fälle. In einem komplizierten Hochrechnungsverfahren sei dann der Atlas entstanden, erklärte eine Advocard-Sprecherin.