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Bauhaus-Stiftungsdirektor Philipp Oswalt über die Wiedereröffnung eines einmaligen Ensembles Auferstehung der Dessauer Meisterhäuser

Das Bauhaus Dessau gilt als Ikone der Moderne in Architektur und Design.
Gründer und Meister haben nur wenig entfernt in einer Künstlerkolonie
gewohnt. 2014 gibt es dort einen Neustart - mit Politprominenz und
Bauhausfamilie.

07.01.2014, 01:14

Dessau-Roßlau (dpa). Die zum Unesco-Welterbe zählenden Dessauer Meisterhäuser erstrahlen nach jahrelanger Diskussion um den Wiederaufbau bald in neuem Glanz. Bundespräsident Joachim Gauck und Nachkommen berühmter Bauhäusler aus aller Welt werden im Mai zur Eröffnung der einstigen avantgardistischen Künstlerkolonie erwartet, wie der Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, Philipp Oswalt sagt. Über die Pläne zu seiner eigenen Zukunft schweigt er.

Frage: Wie steht es um ein Nutzungskonzept für das Dessauer Meisterhausensemble, wann soll es wieder komplett sein?

Antwort: Am 16. Mai sollen die Meisterhäuser in Anwesenheit von Bundespräsident Joachim Gauck eröffnet werden. Wir haben auch alle Kinder der Bauhausmeister, die einst in den Häusern gewohnt haben, eingeladen zu kommen, um die Bauhausfamilie an historischem Ort nochmals zu versammeln. Das frei stehende Haus von Bau-hausgründer Walter Gropius, in dem auch die späteren Bauhausdirektoren Hannes Meyer und Ludwig Mies van der Rohe gewohnt haben, sowie die benachbarte Doppelhaushälfte des Bauhausmeisters László Moholy-Nagy wurden beim Bombenangriff auf Dessau im März 1945 zerstört und sind nun wiederaufgebaut worden. Die anderen zweieinhalb Doppelhäuser der Kolonie wurden bereits Mitte der 90er Jahre restauriert.

Frage: Und was ist neu für die Besucher?

Antwort: Nach fast 70 Jahren ist nun das Ensemble wieder vollständig, einschließlich Direktorenhaus, Gartenmauer und der von Mies van der Rohe entworfenen Trinkhalle. Wer in diesem Jahr nach Dessau kommt, wird dieses einmalige Gebäudeensemble wieder in seiner Ganzheit erleben können, und zugleich eine ungewöhnliche und exzellente zeitgenössische Architektur vorfinden. Es war mir wichtig, dass es sich bei den Meisterhäusern schon um eine Art Rekonstruktion handelt und auch die historischen Innenräume nachvollzogen werden können. Gleichzeitig soll aber auch eine moderne Interpretation des historischen Sachverhaltes spürbar sein.

Frage: 1990 hatte die Stadt als damalige Eigentümerin der Häuser den Wiederaufbau beschlossen. Wie lange wurde geplant und gebaut?

Antwort: Der jetzige Planungsprozess begann erst 2010, weil das vorherige, 2005 gestartete Verfahren inhaltlich in eine Sackgasse geraten war. Durch die Neuausschreibung und die Beratung des Architekten David Chipperfield war es möglich, das Ganze auf neue Füße zu stellen. Wir konnten in Ruhe darüber nachdenken, welche Nutzung für die Meisterhäuser die beste ist, welche gestalterische Zielsetzung und welches Verständnis von Rekonstruktion verfolgt werden soll. Ich bin der Stadt Dessau-Roßlau als Bauherr sehr dankbar, dass sie dies alles mitgetragen hat. Der Dialog zwischen Kunst und Architektur, der ja für die Dessauer Meisterhäuser signifikant ist, kann nun wieder und ganz neu erlebt werden. Bauhausmeister wie Wassily Kandinsky und Paul Klee nutzten ihre Häuser bereits in den 1920er Jahren zu außergewöhnlichen Experimenten der Gestaltung.

Frage: Welche Nutzung ist vorgesehen?

Antwort: Das Haus Gropius bildet künftig das Entrée zur Meisterhaussiedlung und dient zu Ausstellungszwecken, wobei die Architektur selbst das erste Exponat ist. Die einstige Doppelhaushälfte von Moholy-Nagy soll als Veranstaltungsbereich genutzt werden, im ersten Obergeschoss wird auch etwas über Moholy-Nagy, ja, seine Bedeutung für das Bauhaus und über seine Nachmieter Josef und Anni Albers zu erfahren sein. Wir wollen den Besuchern die Geschichte dieser weltweit einmaligen Künstlerkolonie des 20. Jahrhunderts so eindringlich wie möglich schildern: Wie haben die Bauhausmeister hier zwischen 1926 und 1932 gemeinsam gelebt und gearbeitet, was ist an wegweisender Kunst entstanden und welche Änderungen haben diese kubischen Doppelhäuser in der Nazi- und DDR-Zeit durchgemacht.

Frage: Was ist als Eröffnungsprogramm geplant?

Antwort: In einer Ausstellung mit dem Titel "Dessau 1945" werden wir an die Zerstörung der Bauhausstadt erinnern und hierbei eine einzigartige, bislang unbekannte Fotoserie des Jahrhundertfotografen Henri Cartier-Bresson zeigen, der im April 1945 die Rückkehr französischer Zwangsarbeiter aus Dessau dokumentiert hat. In den Meisterhäusern selbst wollen wir uns dem Thema des "Haushaltens" widmen, und hiermit eine für das Bauhaus zentrale Fragestellung in die Gegenwart übersetzen. Aufgrund der Turbulenzen der vergangenen Monate wird sich die Umsetzung dieses von der Kulturstiftung des Bundes geförderten Projekts aber möglicherweise etwas verzögern.

Frage: Und werden Sie sich, nachdem der Stiftungsrat der Stiftung Bauhaus Dessau die Neuausschreibung Ihrer Stelle zum 1. März 2014 beschlossen hat, weiter in Dessau und für das Bauhaus tätig sein?

Antwort: Die Zukunft ist offen. Wie ich mich verhalte, ist noch nicht entschieden, und wenn, werde ich das auch nicht öffentlich kommunizieren. Dabei bleibt es.

Philipp Oswalt wurde 1964 in Frankfurt/Main geboren. Er ist Architekt, Professor und Publizist. 2009 wurde er Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau.