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100 Jahre Erster Weltkrieg "Lieber Papa, schick Geld für Schuhe"

Der Krieg war gerade ein halbes Jahr alt, da war in der Heimat schon die
erste Euphorie verflogen. Das Haushaltsgeld wurde knapp, Heizmittel
wurden teurer. Da schrieb die 15-jährige Helene an ihren Vater im Feld.

Von Oliver Schlicht 25.01.2014, 02:18

Stendal l Aus den Januartagen des Jahres 1915 ist ein Brief überliefert, der sehr eindringlich die aufkommende Not beschreibt. Er wurde geschrieben von einem 15 Jahre jungen Mädchen - Helene Jahr. Die Tochter von Helene, Christa Austen, ist heute 79 Jahre alt. Den Brief ihrer Mutter hat sie ihr Leben lang aufbewahrt. "Er ist sehr berührend. Der Brief zeigt, welche Spuren der Krieg in der Heimat hinterlassen hat", sagt sie.

Gerichtet war das Schreiben an Helenes Vater Emil Jahr. Der war schon gleich zu Kriegsbeginn als Soldat eingerückt und diente an der Westfront in Frankreich. Bei der Familie zu Hause herrschte bittere Kriegsnot. "Unsere Familie lebte damals in der sächsischen Stadt Glauchau. Erst in den 1960er Jahren sind wir nach Stendal in die Altmark übergesiedelt", erzählt Christa Austen.

Sechs Kinder blieben mit der Mutter zurück

Sechs Kinder blieben bei Kriegsbeginn mit der Mutter allein zu Hause zurück. Das Geld reichte vorn und hinten nicht. Von den sechs Kindern werden immerhin fünf Kinder trotzdem den Krieg überleben. Nur die ein Jahr ältere Schwester von Helene fällt der damals grassierenden Grippe-Epidemie zum Opfer. "Sogar zwei Söhne müssen auch noch ihrem Vater in den Krieg folgen. Aber alle drei überleben die Kriegszeit", erzählt die Stendalerin.

Der Vater Emil Jahr stirbt schließlich 1935 an einem Krebsleiden. Drei Jahre zuvor erlebt er noch, wie seine Tochter Helene heiratet. "1935 wurde ich dann geboren", erzählt Christa Austen. Helene, die ihrem Vater diesen herzzerreißenden Brief geschrieben hat, wurde 72 Jahre alt. Sie arbeitete ihr Leben lang als Haushaltshilfe und schließlich als Kellnerin in einem Café.