1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. "... nicht mit Schaum vor dem Mund reden"

Landtagsdebatte zur Diskriminierung von Homosexuellen "... nicht mit Schaum vor dem Mund reden"

Der Landtag hat sich in einer Debatte am Freitag mit der Diskriminierung
von Homosexuellen befasst. Aktueller Anlass sind fragwürdige Seminare
eines Vereins im Landkreis Mansfeld-Südharz.

Von Michael Bock 01.02.2014, 02:18

Magdeburg l Die Debatte zu Thesen des Vereins Leo aus dem Südharz, der Homosexualität als Krankheit einstuft und Seminare zur Heilung anbietet, wird sehr schnell sehr emotional. Linken-Fraktionschef Wulf Gallert betont zunächst, dass die Gesellschaft gegen jede Form von Diskriminierung kämpfen müsse. Dann greift er die Union frontal an. Der Verein biete "kreuzgefährliche Therapien" an und werde von CDU-Funktionären massiv politisch unterstützt, sagt Gallert. Ihn wundere, wie überrascht jetzt viele auf die inhaltliche Ausrichtung des Vereins reagieren würden. Die Ansichten von Vereinschef Bernhard Ritter, Ex-CDU-Landtagsabgeordneter, seien seit Jahrzehnten bekannt.

Im Kuratorium des Vereins sitzen namhafte CDU-Politiker: Ex-Ministerpräsident und Bundestagsmitglied Christoph Bergner, Ex-Landtagsfraktionschef Jürgen Scharf und der frühere Justizminister Walter Remmers. Doch Gallert knöpft sich vor allem CDU-Fraktionschef André Schröder vor. Der hat inzwischen die zunächst signalisierte Bereitschaft zur Mitarbeit im Kuratorium zurückgezogen.

Gallert sagt: "Er hat es geschafft, innerhalb weniger Tage den Verein erst zu verteidigen, ihn dann gar nicht richtig zu kennen, um sich dann wiederum zu distanzieren. Ja, nein, Enthaltung - alles dabei." Für den Linken-Politiker ist das Ausdruck einer ausgefeilten CDU-Strategie. Einerseits zeige sich die Union "geschmeidig" in der Debatte um die Gleichberechtigung aller Menschen. "Auf der anderen Seite will man sich nicht von konservativen Milieus lösen, in denen Vorurteile und Diskriminierung weiter fröhlich Urstände feiern."

"Homophobie kennt kein Feindbuch"

Gallert spricht von "janusköpfigem Verhalten" bei den Christdemokraten. Er verweist auf den familienpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Eduard Jantos. Auf dessen Internetseite ist zu lesen: "Ich stehe nicht dafür ein, dass permanent Sondererscheinungen wie gleichgeschlechtliche Ehen als normale Alternative zur Familie in den Medien fokussiert werden."

CDU-Fraktionschef André Schröder distanziert sich in der Landtagsdebatte erneut von den Thesen des umstrittenen Vereins. Er habe weder früher noch heute "Heilungsseminare" für Homosexuelle unterstützt. Er sagt: "Dies mag das Feindbild Einzelner zerstören. Aber die CDU ist längst eine bunte Volkspartei." Auch in der Union gebe es einen Lesben- und Schwulenverband. Und: "Homophobie kennt kein Parteibuch." Zugleich bekräftigt Schröder, dass Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stünden und die CDU dies stütze.

Mit Blick auf "Leo" fordert er "Mut zur Differenzierung". Der Verein biete nicht nur "fragwürdige Therapieversuche" an, sondern auch Buchlesungen, Töpfer- und Backkurse oder Ferien für sozial benachteiligte Kinder. Er wirbt dafür, in der momentanen Debatte Maß zu halten: "Wer zu Recht Toleranz einfordert, der sollte nicht mit Schaum vor dem Mund reden." Man müsse auch mal aushalten können, "dass es Meinungen gibt, die man nicht teilt". Als die Grünen den Parteiausschluss Ritters fordern, warnt Schröder vor "Gesinnungsterror".

Lüddemann kritisiert mangelnde Liberalität

Die Grünen-Abgeordnete Cornelia Lüddemann sagt: "Es ist absolut unsäglich, dass ein solcher Verein in Sachsen-Anhalt existiert." Und: "Es ist leider Gottes nichts Neues, dass führende Kräfte aus der CDU homophobe Thesen unterstützen." Die Gesellschaft sei weit weniger liberal, "als wir glauben mögen". Lüddemann: "Die alten Schlachten sind noch nicht geschlagen."

SPD-Fraktionschefin Katrin Budde bezeichnet den Verein als "obskur und gefährlich". Mit Kritik an CDU-Politikern hält sie sich auffallend zurück.

Für die Landesregierung tritt Sozialminister Norbert Bischoff (SPD) ans Rednerpult. Er sagt: "Die Debatte um den Verein muss geführt werden. Aber ich will nicht den Richter spielen."