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Schweizer Votum EU bestürzt: "Quo vadis, Helvetia?"

Die per Volksabstimmung beschlossene Begrenzung der Zuwanderung weckt in
der Schweiz viele Sorgen. In Europa erzeugt das Votum Verärgerung. Rufe
nach Konsequenzen mehren sich.

11.02.2014, 01:23

Bern/Brüssel/Berlin (dpa) l Die Schweiz hat sich mit dem Votum für eine strikte Begrenzung der Zuwanderung ins europäische Abseits gestellt. Schon kurz nach der Volksabstimmung wurde im europäischen Ausland der Ruf nach Konsequenzen laut.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartete große Probleme. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte: "Wir werden die Beziehungen zur Schweiz überdenken." Kritik kam auch vom luxemburgischen Ressortchef Jean Asselborn: "Das wird Konsequenzen haben, das ist deutlich", sagte er . "Man kann die Freizügigkeit nicht verramschen." Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor "Rosinenpickerei". Die italienische Ressortchefin Emma Bonino resümierte: "Die Auswirkung ist eher beunruhigend."

Schweiz soll Konsequenzen aus Votum ziehen

"Die Bundesregierung nimmt das Ergebnis dieser Volksabstimmung zur Kenntnis und respektiert es, es ist aber durchaus auch so, dass aus unserer Sicht dieses Ergebnis erhebliche Probleme aufwirft", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Es sei an der Schweiz, auf die EU zuzugehen und ihr darzulegen, wie sie mit dem Ergebnis umgehen wolle.

Die Schweizer hatten sich am Sonntag in einer Volksabstimmung mit sehr knapper Mehrheit dafür ausgesprochen, die Zuwanderung von Ausländern generell, also auch aus der EU, zu begrenzen.

Mehrere Außenminister und die EU-Kommission machten in Brüssel deutlich, dass mit dem Ausgang der Volksabstimmung nicht direkt Verträge zwischen dem Land und der EU wackeln. "Der Ball ist jetzt im Feld der Schweiz", sagte Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde. "Es ist Sache der Schweiz, welche Konsequenzen sie spezifisch aus diesem Votum zieht." Die Regierung in Bern muss laut Verfassung binnen drei Jahren das Anliegen umsetzen.

Schweizer Unternehmen fürchten Fachkräftemangel

Der deutsche Europaabgeordnete Andreas Schwab (CDU) forderte ein Ende der vertraglichen Beziehungen zur Schweiz. Die EU müsse ihre mit dem Land geschlossenen Abkommen auf den Prüfstand stellen und gegebenenfalls kündigen, sagte Schwab der dpa in Freiburg. "Notwendig ist jetzt eine entschiedene Reaktion der EU."

Die Schweizer Unternehmen fürchten nach der Volksabstimmung, keine guten Mitarbeiter aus dem Ausland zu bekommen. Angesichts der Aussicht, möglicherweise ohne Familie ins Land ziehen zu müssen, werde die Qualität der Bewerber abnehmen, sagte der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, Valentin Vogt, der "Neuen Zürcher Zeitung".

Gut ausgebildete Kandidaten, "die unter mehreren Angeboten auswählen können, werden das nicht mit sich machen lassen. Ich würde das übrigens auch nicht tun", sagte Vogt. Die jetzt eintretende Unsicherheit sei sehr schädlich. "Unsicherheit ist die schlechteste Nachricht für die Wirtschaft."

EU sieht Binnenhandel gefährdet

Deutsche Wirtschaftsverbände warnten vor Konsequenzen für die Beziehungen zu der Alpenrepublik. "Das Schweizer Votum ist aus Sicht der deutschen Industrie bedauerlich", teilte der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Markus Kerber, am Montag mit. Die Freizügigkeit von Personen sei zentraler Bestandteil des Europäischen Binnenmarktes, in den die Schweiz auch stark integriert sei. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, sagte, mit einer einseitigen Einschränkung der Zuwanderung würden auch bilaterale Abkommen zum Binnenhandel infrage gestellt.

Aktuelle Verträge mit den vielen deutschen Fachkräften im Land, es leben fast 300.000 Deutsche in der Schweiz, sind von dem Votum nicht betroffen. Die Schweizer Regierung hat nach dem Willen des Volkes drei Jahre Zeit, die Höchstgrenzen für die Zuwanderung festzulegen.