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Lesung mit Roman Grafe Die erste Eskalation in Stendal

14.02.2014, 01:16

Stendal (mr) l Roman Grafe ist in Stendal kein Unbekannter. Der Autor sorgt Anfang 2008 für Schlagzeilen. Mitten im Oberbürgermeisterwahlkampf präsentiert er auf einer Lesung im Ratssaal Details des CDU-Bewerbers und Amtsinhabers Klaus Schmotz (damals parteilos) aus seiner Zeit bei den Grenztruppen. Beim Grenzkommando Nord war der Diplomwirtschaftler zuletzt Oberoffizier Finanzökonomie im Range eines Oberstleutnants.

Während Grafe damals im Rathaus seinen Text "Aus dem Leben eines Apparatschiks" vorträgt, macht wenige Meter weiter der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble Wahlkampf für Schmotz. Schäuble und die örtliche CDU erklären an dem Abend, diese Vergangenheit zu kennen, Schmotz habe hier nichts verheimlicht und zu verbergen.

Grafes Auftritt löst Kontroversen aus und wird Stadtgespräch. Im offiziellen Wahlkampf bleibt diese Diskussion indes weitgehend außen vor, zumal seine Mitbewerber von SPD und Linken dies nicht thematisieren wollen. Am 17. Februar 2008 gelingt dem Rathauschef die Wiederwahl mit einem haushohen Sieg: 68,4 Prozent im ersten Wahlgang. Es waren allerdings auch nur 34 Prozent der Stendaler zur Wahl gegangen.

Welche Rolle spielte Klaus Schmotz?

Bei Grafes Lesung in der Comenius-Schule ging es am Rande auch um Schmotz. "Die meisten Verantwortlichen haben ja nach dem Mauerfall wieder Karriere gemacht. Zum Beispiel als Bürgermeister", zitiert er in der "Zeit" einen Schüler. Grafe bezeichnet in diesem Artikel Schmotz als einen "der mächtigsten Offiziere im Grenzkommando Nord, mitverantwortlich für das mörderische Grenzregime".

Die Reaktionen nach der Veröffentlichung in der Stendaler Volksstimme fallen in diesen Tagen völlig unterschiedlich aus. Es gibt Zuspruch für Schmotz: "Der Oberbürgermeister ist in unserer Stadt ein allseits hoch angesehenes und verdienstvolles Stadtoberhaupt. Seine DDR-Vergangenheit ist bekannt und kein Makel für ihn."

DDR-Vergangenheit transparent machen

Aber auch konsequente Ablehnung wird deutlich, verbunden mit der Erwartung, dass eine neue Debatte entfacht wird: "Gerade in einer Stadt wie Stendal, die von einem Oberbürgermeister geführt wird, der als Oberstleutnant und Oberoffizier beim Grenzkommando Nord der Grenztruppen der DDR, also in einer herausgehobenen Position, tätig war und der es bis heute versäumt hat, sich mit seiner Vergangenheit öffentlich auseinanderzusetzten beziehungsweise seine damalige Rolle aufzuarbeiten, in einer solchen Stadt sollten wenigstens Schulen zeigen, dass sie sich mit diesem Teil unserer Vergangenheit klar, sichtbar und transparent auseinandergesetzt und Konsequenzen gezogen haben."

Schmotz selbst sagt, dass seine Rolle keineswegs so bedeutend war. "Ich habe sie bei meinen Bewerbungen stets offen gelegt." 2008 habe er sich dann an den Rat eines Bundeswehr-Offiziers gehalten. Der habe gesagt: "Lass es die Wähler entscheiden."