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Schließung des Traditionsbetriebes Schockstarre in der Magdeburger Eisengießerei

Von Rainer Schweingel und Robert Richter 01.03.2014, 01:26

Magdeburg l Nach dem angekündigten Aus für Magdeburgs letzte Gießerei in Salbke zeigt sich die Belegschaft kämpferisch. Betriebsrat und Gewerkschaft erklären: Wir geben nicht auf.

Schichtwechsel Freitagmittag auf dem alten SKL-Gelände in Alt-Salbke. Betriebsratschef René Kündinger begrüßt Kollegen auf dem Parkplatz. Einer hat eine Zeitung unter dem Arm klemmen. "Was da steht, nur noch 50 Prozent Auslastung, das ist doch ..." - der Mitarbeiter der Eisengießerei winkt ab. Eine Kollegin versteht das auch nicht: "Es wurde immer gesagt, wir schreiben schwarze Zahlen. Die Nachricht von der Schließung trifft uns völlig aus der Kalten."

Die Stimmung in der Werkhalle zu Füßen des Salbker SKL-Turmes beschreibt eine Mitarbeiterin nur so: "Es herrscht Schockstarre. Das ist alles mehr als krass."

Am Donnerstag erfuhren die 100 Mitarbeiter der Eisengießerei, dass das Unternehmen Global Castings, zu dem der traditionsreiche Magdeburger Betrieb erst seit einigen Monaten gehört, Ende April die Produktion in Salbke einstellen will. Junge wie alte Kollegen - der Altersdurchschnitt liegt bei 48 Jahren - verstehen seit Donnerstag die Welt nicht mehr, erklärt der Betriebsratschef. "Hier waren alle mit Herzblut dabei, immer flexibel und bereit, Überstunden zu machen, trotz der körperlich sehr schweren Arbeit."

"Es herrscht Schockstare. Das ist alles mehr als krass." - Eine Mitarbeiterin der Gießerei

Die Produktion in Salbke umfasste zuletzt ausschließlich Bauteile für Windkraftanlagen. Bis zu 27 000 Tonnen Eisenteile könne die Salbker Gießerei pro Jahr produzieren. Produkte bis zu 30 Tonnen Einzelgewicht könnten hergestellt werden, erklären Mitarbeiter. Sie sehen sich damit weiterhin konkurrenzfähig und fit auch für viele weitere Produktpaletten, wie auch der Vorsitzende des Betriebsrats deutlich macht.

Doch die Eigentümer wollen die Produktion der Global-Castings-Gruppe auf ihre anderen Standorte verteilen, darunter Zeitz. Dort könnten auch Magdeburger eine Weiterbeschäftigung finden, hieß es von der Geschäftsführung.

"Doch für die allermeisten von uns ist das keine Alternative. Zum Pendeln ist das zu weit", sagt René Kündinger. Er hofft, wie viele Kollegen, noch auf eine Rettung von Magdeburgs letzter Eisengießerei. Immerhin erlebte die Gießerei nach den Turbulenzen zur Wendezeit unter verschiedenen Eigentümern durchaus erfolgreiche Jahre.

Von 50 Mitarbeitern Anfang der 90er Jahre pendelte sich die Zahl bei etwa 100 ein, jährlich wurden zwei Auszubildende eingestellt und vielfach auch weiterbeschäftigt, ist zu hören.

Nun hängen nicht nur angestammte Mitarbeiter, die teils seit den frühen 70er Jahren hier "malochen", sondern auch die aktuellen Lehrlinge in der Luft.