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Atemtestwerte nicht immer korrekt Alkoholfahrer erleben ihr blaues Wunder

Durchschnittlich zehnmal am Tag werden in Sachsen-Anhalt Autofahrer zur Blutentnahme gebeten, weil der Verdacht besteht, dass sie betrunken am Steuer gesessen haben. Die Polizei nutzt dabei Vortester, deren Angaben aber nicht immer mit dem Blutwert übereinstimmen.

Von Matthias Fricke 18.03.2014, 02:14

Magdeburg l Ein 48-jähriger Autofahrer aus dem Salzlandkreis ist im Januar dieses Jahres von einer Polizeistreife gestoppt worden und sollte "pusten". Der angezeigte Wert: 1,17 Promille. Weil der Verdacht einer Straftat bestand, nahmen ihn die Beamten mit auf das Revier. Der Mann stimmte einer Blutentnahme zu und gab seinen Führerschein ab. "Ich habe nur zwei halbe Liter Bier vorher getrunken, war mir unsicher, was ich machen sollte", sagte er später der Volksstimme.

So musste er einige Tage ohne Führerschein ausharren, bis ihm das Ergebnis des Rechtsmedizinischen Institutes Magdeburg übermittelt wurde. Der tatsächliche Blutalkoholwert lag bei 0,30 Promille. Weil der Autofahrer weder Ausfallerscheinungen hatte noch einen Unfall verursachte, konnte er seinen Führerschein wieder abholen. Nichtmal ein Bußgeld wurde fällig, weil sein Wert deutlich unter der 0,5-Promille-Grenze lag. Auch eine Rechnung bekam er nicht. Die Kosten übernimmt in diesem Fall der Staat.

"Das kommt häufiger vor, als man denkt." - Ronni Krug, Rechtsanwalt

Für Verkehrsrechtsanwalt Ronni Krug ist das keineswegs ein Einzelfall. "Das kommt häufiger vor, als man denkt. Die Vortestgeräte sollen auch nur einen Anhaltspunkt bieten", erklärt er. Aus diesem Grund sei auch nur der forensisch sichere Blutalkoholtest im Strafrecht von den Gerichten anerkannt.

Die genaueren Großmessgeräte "Evidential" in den Polizeirevieren sind dennoch nur für den Bußgeldbereich zwischen 0,5 bis 1,1 Promille zugelassen. Rund eine halbe Million Euro hat sich das Land Sachsen-Anhalt dennoch die Anschaffung der geeichten Geräte im Sinne der Verkehrssicherheit kosten lassen. Sie wurden im Mai vergangenen Jahres von 75 auf 50 reduziert und durch eine neue teurere Generation ergänzt, so das Innenministerium. Ein Exemplar kostet rund 9000 Euro.

"Wenn es aber um den Entzug der Fahrerlaubnis geht, sollte immer eine Blutentnahme und damit eine forensisch sichere Kontrolle erfolgen", meint Krug.

Nach Paragraf 81a Strafprozessordnung ist dafür grundsätzlich sogar ein richterlicher Beschluss nötig, wenn der Verdacht auf einen Wert über 1,1 Promille besteht. Es sei denn, der Autofahrer stimmt wie im Fall aus dem Salzlandkreis dem Blutest freiwillig zu.

Sind die Vortestgeräte so ungenau? Volksstimme-Reporter Matthias Fricke unternahm den Selbsttest im Rechtsmedizinischen Institut der Otto-von Guericke-Universität mit 100 Milliliter Goldbrand, 30 Volumen-Prozent, auf nüchternen Magen getrunken. Zum Nachahmen ist das nicht zu empfehlen. Doch der Alkohol soll für den Labortest schnell ins Blut gehen.

Rechtsmedizinerin Dr. Katja Jachau errechnet anhand des Körpergewichts und der Größe einen Wert von etwa 0,3 Promille für den Zeitpunkt 20 Minuten nach dem Trinken. Auch die kostenlose Smartphone-App, die angeblich in Echtzeit die Werte errechnen kann, zeigt einen zu erwartenden Höchstwert von 0,38 Promille an. "Vor solchen angeblichen Hilfsmitteln oder Testgeräten aus dem Handel können wir aber nur eindringlich warnen", erklärt die Rechtsmedizinerin. Diese seien nicht nur ungenau, sie wiegen die Nutzer auch in falscher Sicherheit.

Das Vortestgerät der Polizei zeigt fünf Minuten nach dem kleinen Umtrunk einen Wert von 1,38 Promille an. "Das ist der Mundrestalkohol", erklärt die Medizinerin. Tatsächlich schrumpft der Wert nach weiteren 15 Minuten auf 0,2 Promille. Allerdings könne dieser Wert auch jederzeit wieder durch andere Faktoren geändert werden. "Wenn der Proband zum Beispiel aufstößt, gelangt Atemalkoholluft aus dem Magen nach oben und kann den Wert erheblich verfälschen", erklärt Jachau.

"Blutproben werden für zwei Jahre eingefroren." - Katja Jachau, Rechtsmedizinerin

Schon ab 0,5 Promille beginnt erfahrungsgemäß eine generelle verminderte Reaktionsfähigkeit. "Bei jedem macht sich das aber unterschiedlich bemerkbar. Es gibt trainierte Trinker, die ab drei Promille sogar sicherer werden", sagt die Sachverständige. Umgekehrt treten bei einigen schon bei viel niedrigen Werten Ausfallerscheinungen auf. Ab 1,1 Promille beginnt der Tunnelblick, deshalb wird bei diesem Wert auch die absolute Fahruntüchtigkeit für Autofahrer angenommen. Bei Radfahrern liegt er bei 1,6 Promille.

Die Blutproben werden im Rechtsmedizinischen Institut im Gas-Chromatographen untersucht. Das Ergebnis kann bis auf zwei Stellen nach dem Komma genau bestimmt werden. "Damit auch später die Untersuchungen vor Gericht stand halten, werden sie für zwei Jahre eingefroren. So kann der Test jederzeit wiederholt werden." Die Blutuntersuchung kostet übrigens 35,70 Euro. Hinzu kommen Arztkosten für die Blutentnahme und die Gebühren der Polizei samt eventuell angefallener Transportkosten. Christin Penger, Sprecherin der Polizeidirektion Nord: "Die Kostenrechnung liegt in der Regel zwischen 75 und 200 Euro."