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Waffengesetz Die Kalaschnikow liegt unterm Bett

In Sachsen-Anhalt sind offiziell 119.145 Waffen gemeldet. Schätzungen
zufolge dürfte die Zahl der im Umlauf befindlichen illegalen Pistolen
und Gewehre aber weit höher liegen. Die Zahl der festgestellten
Waffenverstöße stieg in den letzten drei Jahren von 877 auf 982. In 31
Fällen wurde 2013 auch Kriegsgerät entdeckt.

Von Matthias Fricke 07.04.2014, 03:27

Magdeburg l Zollfahnder machen Mitte März einen aufsehenerregenden Fund in Wohnungen, dem Keller und der Garage eines 55-Jährigen in Quedlinburg und Halle. Neben einer Maschinenpistole, Gewehren, 16 Pistolen und mehr als 6.000 Patronen werden auch Minenzünder und anderes Kriegsgerät sichergestellt. Es dauerte mehrere Stunden, bis die Ermittler und Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes alle Waffen registriert und eingetütet hatten. Viele erweisen sich zwar als sogenannte Deko-Waffen, die nicht schussbereit sind. Aber zum Beispiel eine "scharfe" Maschinenpistole und weitere der 16 Pistolen sind prinzipiell einsatzfähig.

Der "Sammler" besorgte sich seinen Nachschub im Internet, so kamen die Zoll-Ermittler ihm auch auf die Spur. Er soll sich nun wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkon-trollgesetz verantworten. Der Verbrechenstatbestand sieht eine Mindeststrafe von einem Jahr bei Besitz vollautomatischer Waffen, Handgranaten, Panzerfäusten oder anderer "Geräte der Kriegsführung" vor.

Waffensammler bereits einschlägig bekannt

Oberstaatsanwältin Heike Geyer aus Halle zum Stand der Ermittlungen: "Es gab bisher keine vorläufige Festnahme. Einen Grund für eine Untersuchungshaft konnten wir zudem nicht feststellen."

Das Ermittlungsverfahren sei noch voll im Gang. Dabei war schon im Mai 2013 der Mann den Zollfahndern durch den Kauf und die anschließende Einfuhr eines Verschlusses für eine Flugabwehrkanone aus den Niederlanden aufgefallen.

Schon damals war ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz eingeleitet worden. Der einschlägig vorbestrafte Mann unterlag bereits einem generellen Waffenbesitzverbot, so das Zollfahndungsamt. Der Quedlinburger Fund ist in Sachsen-Anhalt kein Einzelfall. Immer wieder stoßen Ermittler vor allem bei Hausdurchsuchungen oder nach Hinweisen auf solche illegalen Waffen. Allein im vergangenen Jahr sind 31 Verstöße gegen das Kriegswaffenkon-trollgesetz festgestellt worden. Der überwiegende Teil der Fälle im mittleren und nördlichen Sachsen-Anhalt. Nur sieben Fälle gab es im Osten und Süden des Landes.

So registrierte allein das Polizeirevier Harz in Halberstadt im vergangenen Jahr acht Fälle, so Hauptkommissar Uwe Becker. Viele seien Zufallsfunde bei Hausdurchsuchungen. So wurde im August vergangenen Jahres in Wernigerode gegen einen 23-Jährigen wegen Drogenhandels ermittelt. Ganz nebenbei entdeckten die Polizisten in seiner Wohnung unter anderem auch Pistolen, ein MG-Magazin, eine Schrotflinte und eine Vielzahl von Patronenhülsen.

In der Stadt Magdeburg gab es sechs solcher Fälle. Polizei-Sprecherin Christin Penger: "Oft werden die Waffen erst bei Haushaltsauflösungen oder Durchsuchungen entdeckt." Meist seien sie schon gar nicht mehr gebrauchsfähig.

Problematischer sind ohnehin die scharfen Waffen, die entweder als gestohlen gelten oder illegal im Umlauf sind, auch wenn sie nicht unter das Kriegswaffenkontrollgesetz gesetz fallen. Die Zahl der Verstöße gegen das Waffengesetz in Sachsen-Anhalt ist von 2011 mit 877 Fällen auf 982 im vergangenen Jahr gestiegen. Darunter fallen nicht nur der illegale Besitz oder der Umgang mit normalen Schusswaffen und Munition. Auch andere verbotene Waffen (zum Beispiel Würgehölzer, Springmesser, Schlagringe) gehören dazu. Das deutsche Waffengesetz gilt international als eines der strengsten.

Fast 1.000 Spuren in der BKA-Datenbank

Wird eine illegale Waffe für eine Straftat benutzt, ist es für die Ermittler dennoch nicht unmöglich, den Fall zu klären. Im Landeskriminalamt untersuchen Spezialisten die Waffen, testen sie mit passender Munition im Beschuss-Labor und dokumentieren alles. "Bei Bedarf werden die Projektile in ein Wasserbecken oder einen mit Watte gefüllten Kasten geschossen", erklärt Andreas von Koß vom Landeskriminalamt. Die Spuren an Waffe und Munition können dann dokumentiert und verglichen werden.

Das Bundeskriminalamt (BKA) führt dazu eine gesonderte "Tatmuntionssammlung", in der alle Spuren von Projektilen, Fragmenten und Hülsen elektronisch zentral erfasst sind. Innerhalb dieser Datenbank können die Spuren verglichen werden und so zum Beispiel Zusammenhänge zu anderen Tatorten in Deutschland ergeben, so von Koß. Aus Sachsen-Anhalt liegen derzeit insgesamt 908 Asservate in der Sammlung des BKA ein.

Noch immer werden auch bei Haushaltsauflösungen oder Dachböden alte Waffen oder Munitionsteile entdeckt. Andreas von Koß: "In solchen Fällen sollte man die Polizei rufen. Wir holen die Waffe ab und kümmern uns um alles Weitere. Aus Sicherheitsgründen sollte man sie nicht selbst in die Hand nehmen." Der ehrliche Finder habe, wenn er seiner Pflicht der sofortigen Anzeige nachkommt, dann auch nichts zu befürchten.

Gesammelt werden die im Land entdeckten Waffen in einem Spezialraum im Technischen Polizeiamt Magdeburg. Dort lagern zurzeit 60 "scharfe" Pistolen und Gewehre, 63 Schreckschusspistolen, 39 Luftdruckgewehre und 90 Hieb- und Stichwaffen. Behörden-Sprecher Axel Vösterling: "Wenn das Lager voll ist, zerlegen wir die Waffen in alle Bestandteile. Die Metallteile werden verschrottet."

Die beschlagnahmte Munition lässt die Polizei im Vernichtungsbetrieb des Kampfmittelbeseitigungsdienstes in der Altmark unschädlich machen.