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Zähler-Manipulationen Strom wird häufiger zum Diebesgut

Angebohrte Zähler, demolierte Sperrkappen und abenteuerlich verlegte
Leitungen sind nicht nur ein Ärger für Netzbetreiber, sondern auch
brandgefährlich. Mit steigenden Strompreisen nehmen offenbar auch die
Fälle illegal angezapfter Leitungen zu, wenn auch auf niedrigem Niveau.

Von Matthias Fricke 14.04.2014, 03:22

Magdeburg l Dem kriminellen Einfallsreichtum mancher Stromabnehmer sind offenbar keine Grenzen gesetzt. "Es wird illegal herumgebaut, manipuliert und Leitungen in einem Mehrfamilienhaus hin und her verlegt. Entweder um sich bereits abgestellten Strom wieder zu beschaffen oder seine eigene Rechnung klein zu halten", sagt Andreas Stender vom Kundenservice der Städtischen Werke Magdeburg (SWM).

Dabei gebe es zwei Gruppen von Stromdieben: Die einen denken sich immer raffiniertere Methoden aus, um den Zähler zu überlisten. Die anderen zweigen sich den Strom aus anderen Leitungen ab. Dieser Diebstahl wird vom Gesetz als "Entziehung elektrischer Energie" verfolgt. Dabei drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren.

Bereits mehr als 100.000 Euro Schaden

Nach Angaben des Landeskriminalamtes gab es die meisten Stromdiebstähle in Halle und Magdeburg. Die wenigsten Vorfälle wurden im Landkreis Salzwedel gemeldet. Insgesamt ist bei den 261 Fällen im vergangenen Jahr ein Schaden von mehr als 100.000 Euro angegeben worden. Die Tendenz der letzten drei Jahre ist steigend. Ähnlich sieht die Situation in Thüringen aus. Hier stiegen die Zahlen von 156 im Jahr 2012 auf 200 im vergangenen Jahr.

Die Liste der dreistesten Strom-Diebstähle führt in Magdeburg eine Mieterin an, der wegen nicht bezahlter Rechnungen der Zähler ausgebaut worden war. Sie machte sich an dem Zähler ihres Nachbarn in einem Mehrfamilienhaus zu schaffen, schraubte ihn ab und setzte ihn bei sich ein. Der Betrug flog erst auf, als der Nachbar aus dem Urlaub einige Tage später wieder landete und im Dunkeln stand.

Die alarmierten Techniker staunten nicht schlecht, als plötzlich zwei Zähler im Haus fehlten. Die Mieterin, die schon lange keinen Strom mehr bezahlte, war inzwischen ausgezogen und hatte den fremden Zähler im Umzugsgepäck mitgenommen.

Stromdiebstahl als Brandauslöser

Wie sich später herausstellte, so Stender, baute die Mieterin den Zähler in ihrer neuen Wohnung wieder ein. Ohne diesen hätte sie nämlich dort keinen Strom beziehen können. Der legale Weg blieb ihr angesichts der offenen Rechnungen weiter versperrt.

Auch aus der neuen Wohnung verschwand sie vor einigen Wochen über Nacht. Als der Vermieter die Wohnung öffnen ließ, kamen auch die Techniker des Energieversorgers zum Einsatz. Sie erkannten an der Nummer den gestohlenen Zähler. Der ungewöhnliche Zählerwechsel setzt zumindest ein technisches Grundverständnis voraus. Im Magdeburger Fall war der Partner der Frau Elektriker.

In anderen Fällen lösen die abenteuerlichen Stromabzweigungen sogar schwere Brände aus. In Mannheim (Baden-Württemberg) waren Anfang März 2014 drei Kinder in einer Wohnung ums Leben gekommen, weil der Strom illegal aus einer anderen Wohnung abgezapft wurde. Eine überlastete Mehrzwecksteckdose fing Feuer. Schon im November des Jahres 2013 hatten dort Mitarbeiter der Stadt bei einer Überprüfung illegalen Stromverbrauch unterbunden.

Rund 3000 Zwangsabschaltungen

Vor allem nach der Stromsperre wegen unbezahlter Rechnungen versuchen einige Verbraucher wieder einen illegalen Anschluss zu bekommen. "Deshalb kontrollieren wir nach dem Abschalten, ob nicht doch noch Licht in der Wohnung oder dem Haus brennt", so Stender.

Ähnliches berichtet auch Ralph Montag vom Netzbetreiber Avacon. Rund 3000 zwangsweise Abschaltungen gab es im vergangenen Jahr im mittleren und nördlichen Sachsen-Anhalt wegen offener Forderungen bei ihrem Lieferanten. Auch hier berichtet er von Einzelfällen dreister Stromdiebstähle, "teilweise mit sehr gefährlichen Kon-struktionen".

Auch im Süden Sachsen-Anhalts ist das Problem nicht unbekannt. "Es liegt zwar auf einem niedrigen Niveau, aber mit steigender Tendenz", sagt Iris Rudolph von den Stadtwerken in Halle. Die Stromdiebe würden sich an Zählern anklemmen und die Siegel brechen.

Viele Methoden zur Zählermanipulation

Es wird auch viel am Zähler selbst manipuliert. Der Einsatz eines Magneten, angeblich probates Mittel, um die Zählerscheibe auszubremsen, ist da schon ein alter Hut. Inzwischen werden allerlei Geräte im Internet angeboten, die "Strom sparen" helfen sollen. Auch mit Haarnadeln in kleinen Bohrungen soll man die rotierende Zählerscheibe stoppen können.

"Doch das Risiko, erwischt zu werden, ist sehr hoch. Wenn zum Beispiel beim Anbohren ein Riss entsteht oder das Loch von unseren Technikern entdeckt wird, erstatten wir natürlich Anzeige", sagt Fachmann Stender. In solchen Fällen wird wegen Betruges ermittelt. Die Kosten für den Strom kommen oben drauf.