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Kleinste Landeskirche wählt Ein Anhalter geht weiter

Von Hagen Eichler 26.04.2014, 03:17

Ballenstedt l Erst Gesangbuch, dann Stimmzettel: 39 Kirchenparlamentarier bestimmen am heutigen Sonnabend einen neuen Chef für die Evangelische Landeskirche Anhalts. Zur Wahl im Ballenstedter Schloss stellt sich als einziger Kandidat Amtsinhaber Joachim Liebig. Seit sechs Jahren führt der aus Niedersachsen stammende Theologe die kleinste Landeskirche Deutschlands.

Nur 40000 Mitglieder gehören ihr an, mancherorts hütet selbst ein Superintendent mehr Schäfchen. Anhalt aber ist eigenständig - und das will der Kirchenpräsident auch unbedingt verteidigen. Dass in der Nachbarschaft große Einheiten wie die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) entstanden sind, hält er für einen Irrweg. In den nächsten Jahrzehnten, prophezeit er, werde diese Entwicklung wieder zurückgedreht. "Weltweit haben Bistümer und Landeskirchen meist zwischen 50000 bis 100000 Mitglieder. Die Kirchen in Deutschland werden sich dem anpassen."

Anhalt jedenfalls könne als kleine Organisation schneller reagieren. Ein Beispiel: Deutschlands erste Polizeikirche, vor vier Wochen unter bundesweiter Aufmerksamkeit eingeweiht, steht im Dessauer Stadtteil Großkühnau. Anderswo, glaubt Liebig, hätte eine solche Idee lange in Kommissionen geschmort. "Wir fragen uns: Was hindert uns eigentlich? Dann probieren wir Dinge einfach aus."

Ziel: Offen sein für alle

Mit dem Projekt geht die Kirche auf eine traditionell kirchenferne Klientel zu. Für die Beamten, die im Dienst oft belastende Dinge erleben, steht ein eigener Polizeipfarrer bereit. Für Liebig ist das der richtige Weg, auf Menschen zugehen, vor allem im säkularisierten Ostdeutschland.

Zu seinem Konzept der "gestuften Verantwortlichkeit" gehört, dass die Kirche mit ihren Angeboten für alle offen ist, dass sie Interessierte im Glauben unterrichtet und schließlich - für die, die das wollen - die Taufe anbietet. Auch die evangelischen Grundschulen sind für ihn vielversprechende Gemeinden neuer Art.

Liebig ist im Amt des leitenden Geistlichen der zehnte gewählte Inhaber, bis 1918 waren die Herzöge Oberhaupt der Kirche. Längst ist der 56-Jährige Anhalter geworden. Auch als Vorsitzender der Anhaltischen Landschaft pflegt er die Erinnerung an das 1945 untergegangene Land. Die Kirche ist ein wichtiger Teil - als einzige Institution, die noch immer in den früheren Grenzen existiert. "Wir tragen das weiter, nicht, weil wir besonders nostalgisch sind, sondern weil die Region wichtig ist, damit sich Menschen zuhause fühlen."