1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Dauercamper: Ein schleichender Abgang

Campingplätze im Wandel Dauercamper: Ein schleichender Abgang

Die Campingplätze im Land verlieren zunehmend eine wichtige Einnahmequelle - die Dauercamper. Touristen mit Wohnwagen oder Wohnmobilen kommen dagegen immer mehr. Manche Plätze stellen sich darauf ein.

Von Oliver Schlicht 03.05.2014, 03:25

Magdeburg l Die Kiefern im sandigen Boden am Kolumbussee wiegen sich sanft im Wind. Himmlische Ruhe, nur ein paar Vögel zwitschern oben im Geäst. Unten ist Campingplatz. Aber das sieht der Besucher erst auf den zweiten Blick. Viele Wohnwagen sind eingehaust mit aufwendigen Bretterkonstruktionen.

Mehr ein Laubenwald als ein Campingplatz. Jede Parzelle eine kleine Welt. Überdachte Terrassen, Hollywoodschaukeln, Blumenkübel. Viele Bungalows und Wohnwagen sind alt, aber sorgsam gepflegt. Aber es gibt auch ruinöse Parzellen, wo schon lange die Urlaubszeit vorbei ist.

Zu sehen ist kaum jemand im großen Wald. Eine alte Dame schwimmt - verbotenerweise - im See. Ein Mann gießt Blumen. Ein Pärchen führt seinen Dackel Gassi. Alle anderen sind nicht da oder schlafen. Trotz des blauen Himmels, trotz der herrlichen Luft.

Früher brauchte man Beziehungen

Der Platz am Kolumbussee mit seinen 263 Dauercamping-Stellplätzen ist in die Jahre gekommen. Und mit ihm die Bewohner. Früher kam man nicht drauf ohne Beziehung, heute wäre genügend Platz. Aber nun will kaum noch jemand hin. "Knapp 20 Prozent Leerstand haben wir mittlerweile", erzählt Hans Weber, Chef der kommunalen Elbauen GmbH in Schönebeck. Die Gesellschaft ist Herr über drei Campingplätze an Seen in Plötzky. Am Eder-See mit 130 Dauercampingplätzen beträgt die Leerstandsquote sogar 30 Prozent.

Was fehlt, seien junge Familien. "Die mittlere Generation ist noch da. Aber den jungen Leuten reichen die schöne Natur und die Ruhe nicht", erzählt Hans Weber. Er selbst kam Anfang der 1960er Jahre als junger Bursche mit dem Fahrrad aus Schönebeck zum Baden angeradelt. Das kristallklare Wasser am Steinbruch war Attraktion genug. Doch die Kinder heute wollen Klettergärten und Beachvolleyballplätze. "Das offene Waldgelände am Kolumbussee macht es schwierig zu investieren. Wir planen dennoch, für junge Familien einen eigenen Bereich zu erschließen", erzählt Weber. Und am Eder-See wurde der Strandbereich erneuert und eine alte Betonmauer abgerissen.

Einen neuen Strand bekommt derzeit auch der Große Schachtsee bei Wolmirsleben unweit der B81. Baumaschinen planieren gerade den Strand. Kleine Palmensonnenschirme lassen einen Hauch von Karibik aufkommen. "Das ist weißer Sand, der extra aus Dänemark herangeschafft wurde", erzählt Platzinhaber Jochen Noske. Der Leipziger besitzt vier Campingplätze, drei davon in Sachsen-Anhalt - in Colbitz, Wolmirsleben und Aken. Der mit knapp 200 Dauercampingplätzen ausgestattete Platz in Wolmirsleben ist überwiegend belegt. Etwa 20 Parzellen stehen leer.

Camperin Rosi Ahrendt steht im braunen Trainingsanzug vor ihrem "Häuschen". Sie ist zufrieden mit dem Platz. "Als der neue Besitzer vor fünf Jahren kam, wurde modernisiert. Jetzt haben wir sogar eine Dusche", erzählt sie. Und mit 750 Euro Jahresgebühr sei der Platz trotzdem nicht teurer geworden. Abwasser- und Wasseranschlüsse, neuer Strand, zwei neue Finnhütten werden auch gerade gebaut. Die Nähe zur B81 lockt immer auch Touristen auf der Durchreise an den See. "Junge Leute kommen wieder mehr als vor ein paar Jahren. Das hat wieder spürbar zugenommen", glaubt die Camperin beobachtet zu haben.

Jedes Jahr verlassen zehn Camper den Platz

Platzinhaber Noske ist da nicht ganz so euphorisch. "In meinem Heidecamp Colbitz verlassen derzeit jährlich etwa fünf bis zehn Dauercamper den Platz. Dort hat das kommunale Schwimmbad wegen Sanierungsarbeiten geschlossen", erzählt er. Aber daran allein liege es nicht. 250 Dauercampingplätze und ebensoviel Touristen-Stellplätze hat die große Anlage in der Heide. "Dauercamping ist so ein DDR-Ding. Das hat sich ein Stück weit überlebt", sagt Noske.

Ein Platz müsse sich heute anders aufstellen. Urlauber und Dauergäste seien gleichbedeutend wichtig. Ein Stellplatz von nur 40 Quadratmetern, wo man "den Nachbar husten hört", gehe gar nicht. Seine Stellplätze in Wolmirsleben seien überwiegend 100 Quadratmeter groß. Und auch andere alte Zöpfe gehören abgeschnitten. "Keine verordnete Mittagsruhe, Hunde sind willkommen. Erreichbarkeit der Stellplätze mit dem Auto. Grillplätze und moderne Sport- und Spielanlagen als Freizeitangebote. Anders geht es nicht mehr", schwört Jochen Noske.

Für seine Anlage in Colbitz hofft er auf eine schnelle Sanierung des Schwimmbades und den Bau der A14. Und der vom Hochwasser vor einem Jahr arg beschädigte Platz in Aken werde derzeit umfangreich modernisiert. "Da eröffnen wir in einigen Monaten den modernsten Campingplatz von Sachsen-Anhalt", wirbt der überzeugte Campingfan selbstbewusst.

65 Campingplätze sind in Sachsen-Anhalt statistisch erfasst. 32 private und kommunale Plätze sind im Landesverband der Campingplatzbetreiber organisiert - vor zehn Jahren waren es noch 42. Peter Ahrens, Verbandspräsident, tut sich etwas schwer mit Aussagen zu Dauercampern: "Deren Anzahl wird weder vom Verband noch vom Statistischen Landesamt erfasst." Der Rückgang in diesem Bereich sei aber offensichtlich. "Er passiert eher schleichend und je nach Platz in unterschiedlicher Höhe."

Um durchschnittlich zehn Prozent ging die Anzahl der zahlenden Dauercamper in den vergangenen fünf Jahren zurück, schätzt der Verband. "Auf einzelnen Plätzen sogar bis zu 50 Prozent", so Ahrens. Es sei ein langsames Sterben, kaum bemerkt von der Öffentlichkeit. "Da reden die Platzinhaber auch ungern darüber. Aber einige Plätze leben nur noch von der Substanz. Investiert wird kaum noch."

Beide Zielgruppen befriedigen

Mit dem Fortgang von Dauercampern breche eine wichtige Dauereinnahmequelle weg. "Sachsen-Anhalt gehört nicht zu den Bundesländern, in denen Campingplätze allein von Touristen leben könnten", so der Präsident. Die Herausforderung bestehe darin, beide Zielgruppen - touristische Gäste und Dauercamper - zu befriedigen. Mit einem Dauercampingplatz alter Schule sei dies kaum noch möglich.

Ahrens: "Wer sich mit Angeboten einer bestimmten Zielgruppe zuwendet - Wasser- oder Fahrradtouristen, Wanderern - der hat Erfolg auch unabhängig vom Standort." Denn die steigende Anzahl von touristischen Campern im Land zeige, dass naturnaher Urlaub grundsätzlich im Trend sei. Vor allem ausländische Campingfreunde kommen auf Rundreisen zunehmend nach Sachsen-Anhalt, wie die vom Statistischen Landesamt erfassten Übernachtungszahlen (Grafik) zeigen.

Mehrere Plätze in Sachsen-Anhalt widmen sich verstärkt diesen "Touris". Im Trend seien Investitionen in Freizeiteinrichtungen auf dem Platz und in kleine feste Unterkünfte. Ahrens nennt als Beispiele den Ferienpark in Plötzky, den Wassersportpark am Bergwitzsee nahe der Lutherstadt Wittenberg und Klostercamping in Thale. "Diese und ähnliche Campingplätze freuen sich über steigende Nachfrage", sagt Peter Ahrens. Aus der Mode sei Camping noch lange nicht.