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Extremismius Hemmschwelle zur Gewalt sinkt immer weiter

Der Rechtsextremismus bleibt die größte Gefahr in Sachsen-Anhalt. Das
sagte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Dienstag bei der
Vorstellung des Verfassungsschutzberichts. Bei Linksextremisten sinke
die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung.

Von Michael Bock 21.05.2014, 03:21

Magdeburg l Die Zahl der Rechtsextremisten ist dem Bericht zufolge im vorigen Jahr um 50 Personen auf rund 1400 gestiegen. Innerhalb der Rechtsextremisten ging die Zahl der Neonazis von 330 auf 430 nach oben. Das ist laut Verfassungsschutz vor allem der Entwicklung im Burgenlandkreis geschuldet; dort ist die Hochburg der rechtsextremen NPD.

Den Angaben zufolge stieg die Anzahl der "weitgehend unstrukturierten, meist subkulturell geprägten Rechtsextremisten" 2013 auf 830 Personen - 2012 waren es 780 gewesen. In dieser Gruppe ist der weit überwiegende Teil der Straf- und Gewalttäter zu finden. Im Verfassungsschutzbericht heißt es: "Die Anzahl von politisch motivierten Delikten befindet sich auf hohem Niveau. Attacken gegen Fremde und den politischen Gegner sind augenfällig." Gewaltschwerpunkte sind Magdeburg sowie die Landkreise Jerichower Land und Börde.

Personalquerelen lähmen NPD

Der teilweise neonazistisch ausgerichteten rechtsextremistischen Szene in Magdeburg werden bis zu 60 aktive Personen zugerechnet. Der Mitgliederbestand der rechtsextremen NPD stagniert bei etwa 250 Personen. Minister Stahlknecht: "Die NPD ist gelähmt." Er begründete das auch mit Personalquerelen in der Bundesspitze der Partei und dem laufenden NPD-Verbotsverfahren. "Die NPD ist im Land kaum wahrnehmbar", sagte der Chef des Landesverfassungsschutzes, Jochen Hollmann. Teils bestünden Ortsverbände nur noch auf dem Papier.

"Die NPD ist im Land kaum wahrnehmbar." - Jochen Hollmann, Verfassungsschutz

Die Zahl rechtsextremistischer Musikveranstaltungen nahm im vorigen Jahr zu. 2013 gab es insgesamt 15 rechtsextreme Konzerte - fünf mehr als im Vorjahr. Das größte Konzert fand im Mai mit rund 1200 Teilnehmern in Nienhagen (Landkreis Harz) statt.

Das Land setze sich dafür ein, dass Kommunen ihre Räume nicht an Rechtsextremisten vermieteten, sagte Innenminister Stahlknecht. "Würdigen möchte ich in diesem Zusammenhang den friedlichen und bürgerlichen Protest gegen solche Veranstaltungen."

Autonome Szene vor allem in Magdeburg aktiv

Derweil hat die Durchforstung der Akten des Verfassungsschutzes auf Hinweise zur rechtsextremen Terrorgruppe NSU "keine erkennbaren strukturellen Bezüge" nach Sachsen-Anhalt erbracht, sagte Stahlknecht. Für die Aufarbeitung hatte der Verfassungsschutz 971.000 Blatt Papier digitalisiert.

Die Zahl der Linksextremisten ist laut Verfassungsschutz im vorigen Jahr leicht um zehn auf 510 Personen zurückgegangen. Schwerpunkt ist die Autonome Szene mit 230 Personen, die vor allem in Magdeburg aktiv ist. Laut Bericht ist bei Konfrontationen zwischen den politischen Lagern "Links-Rechts" die "Hemmschwelle zur Gewaltanwendung bei Teilen der gewaltorientierten linksextremistischen Szene deutlich herabgesetzt beziehungsweise nicht existent". Gewalt werde "teilweise hemmungslos" ausgeübt. Immer wieder gerieten Polizisten zwischen die Fronten und würden von Linksextremisten "als eigenständiges Angriffsziel wahrgenommen".

Grüne zweifeln am Verfassungsschutzbericht

Zu den spektakulärsten Taten mutmaßlicher Linksextremisten zählte der Brandanschlag auf die Bundeswehrkaserne in Havelberg, bei der im Juli 2013 ein Millionenschaden entstanden war.

Die Oppositionsparteien Linke und Grüne bekräftigten, sie wollten den Verfassungsschutz abschaffen. "Die Einschätzung, dass Sachsen-Anhalt ein Problem mit gewaltbereiten Rechten und auch Rassismus hat, ist richtig. Für diese Erkenntnis braucht es den Verfassungsschutzbericht nicht", erklärte Henriette Quade (Linke). Sebastian Striegel (Grüne) sagte: "Wir haben grundsätzliche Zweifel, dass die Erfassungskriterien des Verfassungsschutzes geeignet sind, Gefahren für die Demokratie sinnvoll zu beschreiben."