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SED-Verfolgung Experte fordert Beratung von DDR-Opfern auch im Westen

Von Hagen Eichler 04.06.2014, 03:15

Marienborn l Die Hilfe für Geschädigte der SED-Herrschaft erreicht nur einen Teil der Betroffenen. Das kritisiert Thomas Hoppe vom Schweriner Institut für Diktatur-Folgen-Beratung.

Bei einer Tagung in Marienborn am Dienstag warb er dafür, auch in westdeutschen Bundesländern professionelle Beratungsstellen einzurichten. Die bestehenden acht Einrichtungen sind sämtlich in Ostdeutschland, eine davon in Magdeburg.

Etwa 50.000 frühere DDR-Verfolgte benötigten Hilfe, schätzt Hoppe, im Hauptberuf Ethik-Professor an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Viele seien aus der DDR-Haft in den Westen abgeschoben worden und litten an seelischen und körperlichen Erkrankungen.

Andere hätten es in der DDR nicht ausgehalten und seien selbst ausgereist. "Für sie alle gibt es in der Regel keinen Ansprechpartner vor Ort", bedauerte Hoppe. Dabei könne schon eine Kurzzeit-Beratung von maximal sieben Sitzungen oft eine Verbesserung der Lebensumstände bewirken.

Nur ein Versuch der Aufarbeitung

Aus Sicht des Institutsleiters können nur solche Berater erfolgreich sein, die die DDR selbst erlebt haben. "Es braucht diesen spezifischen Erfahrungshintergrund. Die Opfer merken, ob sie mit jemandem sprechen, der sie vollkommen versteht." Ein Berater ohne diesen Zugang könne zwar manches verstehen, "aber die Tiefengrammatik bleibt ihm verborgen". Scheitere das erste Gespräch, werde ein Opfer vermutlich kein weiteres wagen.

Hoppe wandte sich gegen die Vermutung, die Leiden von DDR-Verfolgten seien Vergangenheit. Viele Menschen trügen schwere innere Verletzungen mit sich und seien nicht in der Lage, mit anderen darüber zu reden. "Die von der Stasi betriebene Zersetzung hat oft die Persönlichkeit zerstört. Das waren viele kleine Maßnahmen, die für sich kaum strafbar sind. Die Opfer verlieren aber dauerhaft das Vertrauen in ihre Umwelt."

Ohnmächtig in der Zelle

Einigen Menschen sei es gelungen, das Erlebte besser zu verarbeiten. Das seien vor allem diejenigen, die durch eigenes Handeln etwas gegen die Repressionen tun konnten, etwa die Mitglieder von Bürgerrechtsgruppen. "Am schlimmsten dran war der Einzelne, der ohnmächtig in seiner Zelle saß und niemanden draußen hatte, der sich für ihn einsetzt."

Beim Marienborner Fachtag zu den Folgen von Systemunrecht kamen rund 30 Teilnehmer zusammen, sämtlich tätig im Bereich der psychosozialen Beratung. Eines der Themen war der Umgang mit ehemaligen Häftlingen des berüchtigten Frauengefängnisses Hoheneck.

Die Magdeburger Beratungsstelle für Diktaturfolgenberatung befindet sich beim Caritasverband Magdeburg, Telefon (0391) 5209402.