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Wechselvolle Geschichte Berlins Ulbrichts Rache an der preußischen Monarchie

Von Steffen Honig 28.06.2014, 03:16

Berlin l Schwer beschädigt überstand das Berliner Stadtschloss den Zweiten Weltkrieg. Ein Wiederaufbau wäre möglich gewesen, entsprechende Pläne lagen vor. Doch 1950 wurden die Schloss-Reste auf Beschluss der DDR-Volkskammer gesprengt. SED-Chef Walter Ulbricht wollte den preußischen Militarismus symbolisch mit Stumpf und Stiel ausrotten.

Die Mitte Berlins hatte damit ihr prägendes Bauwerk verloren. Einzig ein Portal wurde 1963 in den Neubau des DDR-Staatsratsgebäudes eingefügt. Vorgeblich die Pforte, von deren Balkon aus Karl Liebknecht 1918 die Republik ausgerufen hatte. Doch war es ein anderer Balkon gewesen und das Portal eine Kopie, da sich das völlig zerschossene Original nicht mehr herstellen ließ.

Die bewegte Geschichte der Feste begann 1442. Damals ließen sich die Kurfürsten von Brandenburg auf der Spreeinsel in Alt-Cölln ein Residenzschloss errichten. Seit 1702 war das Schloss nach Umbauten und Erweiterungen königlich-preußische Residenz und schließlich das Stadtschloss der deutschen Kaiser. Die DDR-Führung machte aus dem freigeräumten Areal an der Spree ein Aufmarschgelände. Auf dem Marx-Engels-Platz ließ sich die Partei- und Staatsspitze bei Maikundgebungen und Militärparaden feiern.

Gut 20 Jahre später wandelte sich die Brache. Unter dem neuen Parteichef Erich Honecker wurde der 1976 eingeweihte Palast der Republik an die Spree gesetzt. Ein Angebot für das ganze Volk sollte es sein, von dem die DDR-Bevölkerung auch reichlich Gebrauch machte, wann immer sich die Gelegenheit bot.

Der Palast umfasste drei Bereiche: Den Volkskammer-Teil, den Großen Saal mit angeschlossenem Theater und das mehrgeschossige Foyer mit der bekannten Glasblume der Magdeburger Künstler Reginald Richter und Richard Wilhelm. Das Palast-Konzept ahmten zwei andere Ostblock-Hauptstädte nach: Angelehnt an das Berliner Vorbild entstanden im tschechoslowakischen Prag und im bulgarischen Sofia ähnliche Bauten. Im Palast schwangen Funktionäre Parteitagsreden und Ballettmädchen die Beine, auch Udo Lindenberg durfte hier singen.

Zur Wende kulminierte vor den Türen des Palastes (Volksmund wahlweise: Palazzo Prozo, Erichs Lampenladen und Honnis Datsche am Kanal) erstmals der Protest gegen den verkrusteten Staat - ausgerechnet beim Festempfang zum 40. Jahrestag der DDR.

Dann war Schluss mit der Republik und ihrem Palast - wegen Asbestgefahr. Von 1998 bis 2003 wurde das Gebäude schließlich saniert. Das Geld dafür hätte man sich allerdings sparen können. Schon 2002 beschloss der Deutsche Bundestag den Abriss des Palastes und den Wiederaufbau des Schlosses. Das Haus wurde aber von 2004 bis 2006 tatsächlich noch zum wahren Volkspalast - bei Kunst und Theater, vom Publikum begeistert angenommen.

Die Linkspartei forderte nun einen umgehenden Abriss-Stopp, die Grünen-Bundestagsfraktion und zahlreiche Prominente und viele Ost-Berliner schlossen sich an. Ziel: Die Platzbebauung sollte erneut überdacht werden. Mehr als 10000 Unterschriften gegen den Palast-Abriss wurden gesammelt. Vergeblich. Das aber ist schon wieder Geschichte, wie so vieles im Herzen von Berlin.