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Humboldtforum wird die Mitte der Hauptstadt komplettieren Berliner Schloss: Außen Kaiser, innen Kultur

Kann man ein seit Jahrzehnten verschwundenes Kaiserschloss wieder entstehen lassen? Durchaus, wie am Spreeufer mitten in Berlin bewiesen wird.

Von Steffen Honig 28.06.2014, 03:19

Berlin l Nachdem ein 19-jähriger Hamburger Schülerzeitungsredakteur im Herbst 1961 mit westdeutschem Ausweis die gerade errichtete Mauer in Berlin durchquert hatte, erschauerte er am Marx-Engels-Platz: Wo einst das Stadtschloss stand, breiteten sich Leere und Trostlosigkeit aus. "Seither träume ich davon, dass das Stadtschloss wieder aufgebaut wird", sagt Wilhelm von Boddien.

Nun steht der frühere Landmaschinenhändler, der dem Förderkreis Berliner Schloss vorsteht, kurz vor dem Ziel: Im März 2015 soll Richtfest sein für das neue Schloss. Der Historie nachempfunden sind allerdings nur Grundriss, Turm und die meisten Fassaden. Das Innere wird zum Humboldtforum ausgebaut, einem Hort von Kultur und Wissenschaft (s. Kasten).

Bisher ist davon nur ein grau-kahler Betonkörper zu sehen. Doch der wird täglich größer, bis zu 150 Bauleute arbeiten daran. Rund 600 Millionen Euro soll das Schloss kosten. 80 Millionen will der Förderkreis einbringen, die Hälfte ist im Topf. Bauen in Berlin ist bekanntlich ein diffiziles Thema. Wird der Schlossneubau also planmäßig und im geplanten Kostenrahmen fertig werden? Von Boddien antwortet knapp und bestimmt: "Hier bauen Profis."

Wie Manfred Rettig, Vorstand der Schloss-Stiftung, Bauherr und Eigentümer des künftigen Humboldtforums, der bis 2009 verantwortlich für die tatsächlich fertigen Regierungsbauten im Spreebogen war. Rettig sagt: "Sofern nichts Unvorhersehbares dazwischen kommt, sind wir sehr zuversichtlich, dass wir den Kosten- und den Terminplan halten können." Anfang 2015 werde man auch die barocken Fassaden wachsen sehen. "Mit der Gestaltung haben wir bereits seit langem in der Schlossbauhütte begonnen, wo die Modelle für die insgesamt 3000 Schmuckelemente der historischen Fassade hergestellt werden", erklärt Rettig.

Die eher fixe Idee vom Schloss-Aufbau wurde in den 1990er Jahren zum konkreten Projekt. Der hier stehende Palast der Republik war sanierungsbedingt nur noch ein Klotz in der Stadtlandschaft. Von Boddien ist das Gesicht des Schloss-Projektes in der Öffentlichkeit, als Türöffner in Politik und Wirtschaft nennt der Hamburger andere: Den Ex-Herausgeber der FAZ, Joachim Fest, oder den Berliner Verleger Wolf Jobst Siedler, beide inzwischen gestorben. Der einstige Kaisersitz spaltete die Nation: Auf der linken politischen Flanke formierte sich Widerstand, aus dem Bürgertum und nicht zuletzt dem Adel kamen Rückhalt und viel Spendengeld.

Zwei zufällige Stimmen, eingefangen vorm Infozentrum Humboldt-Box: "Wenn ich das sehe, werde ich fast zum Monarchisten", begeistert sich Dieter Steiner aus Münster. Ines Eckardt aus Hessen sieht es kritischer: "Es muss nicht sein, sondern ist rausgeschmissenes Geld."

Wenn jüngst 35000 Menschen beim Tag der offenen Tür die Baustelle stürmten, ist das ein Signal für die Versöhnung namhafter Teile der Bevölkerung mit dem Projekt. Das neue Schloss wird fast passgenau zum 100. Jahrestag der Abdankung von Wilhelm II. öffnen. Doch eine kleine Remineszenz an den Monarchen? Von Boddien, aus mecklenburgischem Adel stammend, schüttelt energisch den Kopf: "Ich habe keine Träne im Knopfloch."