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Aussteigerprogramm für Rechte Wege aus dem braunen Sumpf

Sachsen-Anhalt hat ein Programm für Aussteiger aus der rechten Szene gestartet. Das Modellprojekt ist zunächst auf zwei Jahre angelegt.

Von Michael Bock 06.08.2014, 03:25

Magdeburg l Das Ministerium für Inneres und Sport hat das Programm mit dem Namen Extra (Extremismus-Ausstieg) konzipiert. Es solle Menschen ermutigen, sich von ihren rechtsextremistischen Ideologien und Lebenswelten zu lösen, teilte das Ministerium am Dienstag in Magdeburg mit.

Der Leiter des Verfassungsschutzes, Jochen Hollmann, sagte: "Wir wollen jedem helfen, der aus dem braunen Sumpf her-aus möchte. Wir können Ausstiegswilligen aufzeigen, wie es gelingt, diesen Irrweg zu verlassen." Ausstiegswillige könnten Hilfe bekommen, wenn es um persönliche Probleme oder den Umgang mit Behörden gehe. Auch die Suche nach einem neuen Lebensumfeld könne unterstützt werden. Ziel sei aber auch zu verhindern, dass junge Menschen in die rechte Szene hineingerieten.

Aussteiger sollen, so der Verfassungsschutz-Leiter weiter, individuell und professionell begleitet werden. Dazu gebe es eine sogenannte Erstkontaktstelle sowie ein sozialpädagogisch ausgerichtetes Beratungs- und Informationsteam. Laut Hollmann ist dafür zunächst "eine Handvoll Leute" vorgesehen: "Bei Bedarf können wir aber nachlegen." Für Sachkosten stehen pro Jahr 10000 Euro zur Verfügung.

Hollmann betonte, das Programm solle nicht dazu dienen, die rechte Szene auszuforschen oder "Vertrauenspersonen" anzuwerben. Der Landtag werde regelmäßig über den Fortgang des Programms informiert, sagte er. Dabei werde die Anonymität der Ausstiegswilligen gewahrt.

Der gegen Rechtsextremismus aktive Verein "Miteinander" begrüßte am Dienstag zwar grundsätzlich das Beratungsangebot, kritisierte aber zugleich die geplante Umsetzung. Das Aussteigerprogramm sei an das Innenministerium und somit an den Zuständigkeitsbereich von Polizei und Verfassungsschutz gekoppelt, sagte Geschäftsführer Pascal Begrich. "Gerade der Erstkontakt für Ausstiegswillige und deren Angehörige sollte so niederschwellig wie möglich sein und daher bei einer unabhängigen Stelle außerhalb staatlicher Strukturen angesiedelt sein." Das Innenministerium habe sich in dieser Frage offenbar gegen Empfehlungen einer Expertenanhörung im vorigen Jahr gestellt.

Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass es in Sachsen-Anhalt im Jahr 2013 rund 1400 Rechtsextremisten gab. Die Zahl war im Vergleich zum Jahr 2012 um 50 Personen gestiegen. "Dies ist eine Besorgnis erregende Zahl, wenn die demografische Entwicklung in unserem Land berücksichtigt wird", sagte Hollmann. Schließlich gehe die Bevölkerungszahl in Sachsen-Anhalt zurück. Mit 830 Personen sind dem Verfassungsschutzbericht zufolge viele Rechtsextremisten nicht in feste Strukturen eingebunden. Der rechtsextremen NPD gehören derzeit rund 250 Menschen in Sachsen-Anhalt an - das entspricht etwa der Zahl der Vorjahre.

Bislang setzte das Land vor allem darauf, Rechtsextreme direkt anzusprechen. Von 2005 an etwa hatte die Polizei ein Aussteigerprogramm aufgelegt - bis 2010 lösten sich aber nur ein halbes Dutzend Rechtsextreme aus der Szene oder erklärten sich dazu bereit. Der damalige Innenminister Holger Hövelmann (SPD) gestand ein, dass die gezielte Ansprache von Menschen aus der rechten Szene nicht zur erwarteten Resonanz geführt habe. Hollmann formulierte es gestern so: "Der Erfahrungen waren ernüchternd."