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Car-Sharing & Co. Teilen ist das neue Haben

Die Share Economy verändert die Wirtschaft. Menschen wollen Dinge nicht mehr besitzen, sondern an ihnen teilhaben. In Mitteldeutschland wächst das Car-Sharing-Angebot seit Jahren.

11.08.2014, 01:31

Magdeburg l Das 555. Auto des Car-Sharing-Anbieters Teil-Auto steht am Chemnitzer Getreidemarkt. Die Firma aus Halle wächst seit Jahren. Rund 20.000 Kunden nutzen die Fahrzeuge von Teil-Auto in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Vor 20 Jahren hatte die Firma mit einem Gemeinschaftsauto begonnen. Heute gibt es in 16 Städten 330 Stationen.

"Anfangs haben wir noch auf große zentrale Stellflächen mit mehreren Autos gesetzt. Heute versuchen wir, möglichst dichte Netze aus vielen kleinen Stationen mit ein oder zwei Fahrzeugen einzurichten. Dadurch sind wir näher bei den Nutzern", erklärt Geschäftsführer Patrick Schöne.

Ein Car-Sharing-Auto ersetzt Untersuchungen zufolge zehn private Pkw. Deutschlandweit nutzen laut Bundesverband Carsharing rund 750.000 Fahrer in 380 Städten und Gemeinden Car-Sharing-Angebote. Die Branche wächst kontinuierlich. Auch in Sachsen-Anhalt. 2700 Kunden hat der Anbieter hierzulande, davon 220 in Halle und 400 in Magdeburg. "Besonders junge Menschen, die kein eigenes Auto haben, sind unsere Kunden", sagt Teil-Auto-Sprecherin Franziska Wilhelm.

"Aber auch die Gruppe der über 50-Jährigen wächst. Viele Menschen entscheiden sich bewusst, kein eigenes Auto zu haben. Auch um die Umwelt zu schonen", so Wilhelm.

Share Economy verändert die Konsumgesellschaft

Das Prinzip des Teilens verändert die Wirtschaft. Share Economy heißt das Phänomen. Die Menschen wollen Dinge nicht mehr besitzen, sie wollen an ihnen teilhaben. Nicht das Eigentum ist entscheidend, sondern der Zugang zu Dingen und Dienstleistungen.

Das Teilen hat auch in Sachsen-Anhalt bereits viele Lebensbereiche erfasst. Wer in den Urlaub fährt, kann mittels AirBnB in Zimmern von Fremden unterkommen. Bei einer längeren Autofahrt können über Mitfahrzentralen Fahrgäste eingeladen werden.

Statt eines teuren Taxis kann man über Apps wie Uber in Autos von Privatleuten einsteigen. Musik wird nicht mehr gekauft, sondern bei Spotify gestreamt. Bei Internet-Plattformen wie Fairleihen oder Leihdirwas findet man Menschen, die ihre Bohrmaschine oder eine Kettensäge günstig vermieten.

Das heutige Teilen funktioniert nur aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Welt. Das Internet schafft durch die Bewertung der Anbieter durch die Nutzer Abhilfe gegen die Anonymität. Die technischen Möglichkeiten seien der eigentliche Grund für das Aufleben der Share Economy, erklärt Joachim Weimann, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Magdeburg. "Unser Konsumverhalten ändert sich komplett. Denn das Ausleihen von Dingen wird immer günstiger. Deswegen wird es vermehrt in Anspruch genommen", sagt Weimann.

Die alte Wirtschaft kämpft um ihre Pfründe

Für die alten Unternehmen sind die Start-ups der Share Economy ein Drama. AirBnB ist inzwischen mehr als zehn Milliarden Dollar wert, obwohl der Internetfirma kein einziges Bett gehört.

Die Personenbeförderungs-App Uber wurde jüngst von Google und Goldman Sachs mit Risikokapital in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar ausgestattet. Der Wert des Unternehmens wird seitdem auf mindestens 17 Milliarden Dollar geschätzt. Die alte Wirtschaft gibt natürlich nicht einfach so auf. "Sie kämpft um ihre Pfründe", sagt Weimann.

Taxigesellschaften und ihre Fahrer streiken. Die Städte erwirken einstweilige Verbote gegen Dienste wie Uber. Hotel-Lobbyisten versuchen Kurzzeit-Untermieten verbieten zu lassen. Der Erfolg ist mäßig. Der Versuch, diesen Prozess aufzuhalten, ist nicht zeitgemäß, erklärt der Professor: "Jede Innovation bringt Veränderung mit sich. Das ist der Prozess der schöpferischen Zerstörung. Das Aufhalten zu wollen, wäre extrem kontraproduktiv."

Die Gesetzgeber und Behörden scheinen mit dem schnellen Wachstum der Share Economy derzeit überfordert. Kürzlich verbot die Wirtschaftsbehörde Hamburg den Personenbeförderungsdienst Wundercar in der Hansestadt. Die alten Regulierungssysteme funktionieren bei den neuen Leih-Angeboten nicht mehr. Wer etwa über Uber in ein Auto einsteigt, ist nicht wie in einem Taxi durch die Insassenversicherung geschützt.

Die Sharing-Firmen haben ihre eigenen Wege gefunden, ihre Kunden abzusichern. Bei AirBnB gibt es Versicherungen, falls der Übernachtungsgast die Wohnung verwüstet. Bei Uber können Fahrer über die App bewertet werden. Wirtschaftsprofessor Weimann meint, dass der Staat als Regulierer die Entwicklung lenken, aber nicht bremsen sollte.