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Umstrittenes Verfahren Das tägliche Geschäft mit dem Fracking

Fracking ist in Deutschland unter Politikern und Umweltschützern hoch umstritten. Die Wirtschaft kümmert das wenig. Eine Firma aus Pretzier bei Salzwedel liefert die Technik dafür unter anderem nach Russland, Afrika und Amerika.

Von Philip Najdzion 22.08.2014, 01:17

Pretzier l Geschäftsführer Jörg Sperling entwirft mit sieben Angestellten seiner Firma STA Maschinen für die Förderung von Erdöl und Erdgas - mobile Pumpaggregate, Tanksysteme, Zementmischer und mehr. "Fracking ist unser tägliches Geschäft", sagt er. Um die eine Million Euro müssen die Auftraggeber etwa für ein Fahrzeug mit Pumpaggregat auf den Tisch legen. Gefertigt werden diese in der Altmark in Zusammenarbeit mit Firmen in Salzwedel, Klötze, Kakerbeck und Zulieferern aus ganz Deutschland und dem Ausland.

Auf die Pläne der Bundesregierung angesprochen, die Anwendung der Technologie zumindest bis 3000 Meter zu verbieten, reagiert der Ingenieur locker. "Meine Kunden sitzen vor allem im Ausland", sagt Sperling. Er steht vor einer Weltkarte. Mit bunten Fähnchen sind die Länder seiner Auftraggeber markiert: da-runter Kanada, USA, Niederlande, Frankreich, Indien, Polen, Russland, Kongo und Türkei. Russland und Amerika sind Hochburgen der Technologie. Dort wird seit Jahren massiv gefrackt.

Sperling ist ausgebildeter Tiefbohringenieur. 3000 Fracs hat der Altmärker selbst betreut. Zu DDR-Zeiten war der Oebisfelder unter anderem in Bad Lauchstädt bei Halle im Einsatz. Kurz vor der Wende kam er nach Salzwedel. Ein paar Jahre später machte er sich selbständig. Sein Job war es, zu berechnen, wieviel Sand, Wasser und Chemikalien für die jeweiligen Frac-Vorgänge eingesetzt werden müssen.

Heute kümmert er sich vor allem um die Lieferung der Technik. "Und die ist ja nicht neu", sagte Sperling. Schon seit den 1950er Jahren wird Fracking genutzt, um Erdölquellen und Erdgasvorkommen "zu stimulieren" - wie der Fachmann sagt - und so den Ertrag zu erhöhen. Neu sei die Möglichkeit, mit der Technologie gewinnbringend an Rohstoffe zu gelangen, die in Gesteinsschichten wie dem Schiefergas gespeichert sind, erklärt Sperling.

Dabei wird ein Gemisch aus Wasser, einer Art Sand und chemischen Zusatzstoffen mit großem Druck und hoher Geschwindigkeit über die Bohrung in das Gestein gepresst. Bis zu 20 Pumpen werden benötigt. Beim Schiefergas-Fracking werde so gut wie keine Chemie benötigt, sagt Sperling. Das verpumpte Wasser sprengt die Schieferschicht auf. Der Sand verhindert, dass die Risse wieder schließen. Das Gas fließt dem Riss zu und kann über die Bohrung austreten. Die Frac-Flüssigkeit tritt kaum mehr zu Tage, die Lagerstättenwässer werden mitgefördert.

"Natürlich ist es auch gefährlich. Jedes Handeln hat sein Risiko."

Bei Gasvorkommen in Sandsteinschichten sehe die Lage anders aus, erläutert der Fachmann. Je poröser das Gestein, desto mehr Zusätze sind nötig. Das Wasser-Sand-Chemie-Gemisch schießt durch den Stein. Die Chemikalien wirken dabei wie eine Art Tapetenkleister, bei dem die Viskosität ausgenutzt wird. Die Chemiekalien verkleben die Seitenwände und sorgen dafür, dass die Flüssigkeit nicht zu verschiedenen Seiten ausbricht, sondern das Gestein relativ geradlinig durchbricht. So wird eine größere Oberfläche und somit ein stärkerer Gas- oder Ölzufluss gewährleistet.

Die eingesetzten Chemikalien seien meistens kein Problem, sagt Sperling. Viele unterlägen gar dem Lebensmittelrecht. Allerdings gäbe es auch Ausnahmen. So kommen beim Erdöl-Fracking Fungizide - also pilztötende Chemikalien - zum Einsatz. Das sieht auch Sperling kritisch. Viel problematischer sei es aber, wenn die Bohrungen nicht ordentlich zementiert worden seien. Dann tritt Gas und gegebenenfalls Frac-Flüssigkeit zwischen Gestein und den einzementierten Rohren aus. Und dieses Lagerstättenwasser sei sehr oft mit Schwermetallen belastet.

"Natürlich ist es auch gefährlich. Jedes Handeln hat sein Risiko", sagt Sperling zu Bedenken der Umweltschützer. "Aber viele Bürgerinitiativen sind im Prinzip gegen alles, teilweise schlecht informiert und wollen sich die Argumente, die für einzelne Technologien sprechen, nicht anhören." Sie verhinderten so den Fortschritt bei sinnvollen Techniken wie im Bereich der Geothermie. Dennoch seien Umweltschützer wichtig, betont Sperling. "Sie üben Kontrolle über Wirtschaft bis zur Politik aus." Das von der Bundesregierung geplante Gesetz zum Fracking schaffe jedoch Sicherheitsprobleme, warnt Sperling. "Wir schieben das Riskio und die Kontrolle nach Russland ab."

Denn: Deutschland importiert ein Drittel seines Gasbedarfes aus Russland, und ein guter Teil davon wird mit Fracking gewonnen. Zwar seien die Umwelt- und Sicherheitsstandards in Ländern wie Russland gewachsen - aber an die deutsche Sicherheit reichten diese nach Sperlings Einschätzung nicht heran.

Sperling geht davon aus, dass sich das Schiefergas-Fracking in Deutschland ohnehin nicht lohne. Er zieht dazu folgenden Vergleich: In den USA sind die Schiefergesteinsschichten bis zu 200 Meter mächtig, in Deutschland lediglich bis zu zehn Meter. "Hier gibt es viel weniger Raum für das begehrte Gas."