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Vera Feldmann "Ich kann es mir nicht mehr leisten, in Magdeburg zu bleiben"

Nur wenige wussten es, einige hatten es wohl geahnt. Am Mittwoch macht es Vera Feldmann öffentlich: Nach 26 Jahren auf und hinter den Bühnen der Stadt verlässt sie Magdeburg. Der Volksstimme verriet die 48-jährige
Schauspielerin und Regisseurin, warum.

Von Karolin Aertel 17.09.2014, 03:13

Magdeburg l Vera Feldmann wirkt aufgeräumt, klar und stark - wenn auch nicht übermäßig glücklich. Lange und oft habe sie ihre Situation reflektiert; ist in Gedanken die Wege und Möglichkeiten zigmal auf- und abgegangen. Dabei sei sie immer zum gleichen Ergebnis gekommen: "In Magdeburg stagniere ich." In den 26 Jahren auf und hinter den Bühnen der Stadt habe sie alles ausgeschöpft, was für sie künstlerisch, aber auch privat erstrebenswert war. Sie habe ihre größten Erfolge und schlimmsten Niederlagen in dieser Stadt erlebt. Doch nun muss sie zu neuen Ufern aufbrechen. Wenn auch nicht ganz freiwillig.

"Freie Künstler stehen leider am Ende der Nahrungskette."

Am Freitag feiert Vera Feldmann im Staßfurter Salzlandtheater mit der Uraufführung von "Güllen - No Exit", einem Stück, in dem sie Regie führte, Premiere. Anschließend wird sie in ihr beschauliches Möser fahren, die letzten Sachen zusammenpacken, um am folgenden Morgen die Zelte abzubrechen und in Nordrhein-Westfalen wieder aufzubauen. Vera Feldmann zieht es von Möser nach Moers.

Die Gründe dafür sind sowohl privater als auch wirtschaftlicher Natur. Sie habe einen schweren privaten Bruch verkraften müssen. Und: "Ich kann es mir nicht mehr leisten, in Magdeburg zu bleiben." Die Gagen hierzulande seien "unterirdisch", die Perspektiven für Kulturschaffende nicht gerade sonnig. "Freie Künstler stehen leider am Ende der Nahrungskette." Das sei im Ruhrpott etwas anders. Es gebe viele Kultureinrichtungen, die von den Menschen ebenso rege besucht werden. Davon konnte sie sich in den vergangenen Monaten selbst ein Bild machen.

"Ich habe lange in der ersten Reihe gestanden, war Einzelkämpfer. Das macht auch müde."

Zunächst werde sie an einem kleinen Theater in Moers arbeiten. Darauf freue sie sich, denn: "Ich habe lange in der ersten Reihe gestanden, war oft Einzelkämpfer. Das macht auch müde. Nun hoffe ich, wieder Teil eines Ensembles zu werden. Ich will wieder dazu-gehören." Ob es gelingen wird, weiß sie nicht. "Doch ich muss es versuchen. Ich will einen Neuanfang. Dort, wo mich niemand kennt."

In Magdeburg kannte sie beinah jeder, sie spielte sieben Jahre im "Großen Haus". Ihren Durchbruch hatte Vera Feldmann 1991/92 als Maria in "Linie 1", es folgten zahlreiche weitere Stücke, bis sie 1995 in ihrer Herzensrolle als die Johanna in "Die Jungfrau von Orleans" auf der Bühne stand. Auch als Teil des Kabarett-Trios "Denkzettel" mit Thomas Müller und Frank Hengstmann erregte sie weit über die Grenzen der Stadt hinaus Aufsehen, das in dem Kabarettpreis "Reinheimer Satirelöwe" gipfelte. Doch so hoch sie auf der Erfolgsleiter kletterte, so tief fiel sie auch. Der Erfolgsdruck trieb zum Alkohol. "Ich war überfordert, hatte zeitgleich zwölf Stücke, davon vier Hauptrollen - ich versuchte es mit Alkohol zu kompensieren." Das ging mächtig schief. Als sie in einem Stück von der Bühne fiel, drohte das Aus ihrer Karriere. "Ich dachte damals schon, ich muss die Stadt verlassen, um neu anzufangen."

Doch die Magdeburger hielten ihr die Treue, ermutigten sie weiterzumachen, gaben ihr Kraft, wieder aufzustehen. "Das werde ich ihnen nie vergessen." Aus diesem Grund sei es eigentlich auch ihr Wunsch gewesen, noch einmal im Opernhaus auf der Bühne zu stehen, um sich für ihren "Fall" entschuldigen zu können.

Wer weiß, vielleicht wird sie noch einmal die Gelegenheit dazu bekommen. Denn, wie sie verriet, gehe sie der Magdeburger Kulturlandschaft nicht gänzlich verloren. Besonders dem Puppentheater wolle sie die Treue halten. Schließlich habe es sie in den vergangenen sechs Jahren unterstützt. "Sie haben mir immer eine Bühne gegeben." Und gern hätte sie mit dem Team um Intendant Michael Kempchen weiter gearbeitet, doch der Ruf nach Veränderung wurde laut. Und als sie in der Vorstellung zu "Adam das Schaf" von einem Redner als "künstlerische Institution der Stadt" angekündigt worden war, sei ihr klar geworden, dass es an der Zeit sei zu gehen.