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Interview: Sportbund-Präsident plädiert für Erneuerung der Sportstrukturen "Zusammenschlüsse sollten wir fördern"

Der Landessportbund Sachsen-Anhalt hat das Tal der Tränen durchschritten
und sich strukturell wie personell seit 2008 erneuert. Präsident
Andreas Silbersack will in Zukunft auch die Strukturen in den Vereinen
auf den Prüfstand stellen und Zusammenschlüsse fördern. Mit dem
46-Jährigen sprachen Thomas Juschus und Michael Bock.

24.09.2014, 01:11

Herr Silbersack, am Sonnabend ist Bernburg Schauplatz für den Landessporttag. Neben einer Neufassung der Satzung steht auch die Wahl des Präsidenten auf der Tagesordnung. Treten Sie für eine weitere Amtszeit an?

Andreas Silbersack: Ja, ich werde wieder antreten. Ich freue mich darauf. Es ist seit meiner Wahl 2008 und meiner Wiederwahl 2010 viel passiert. Es wäre einfach zu früh, sich jetzt auf das "Altenteil" zurückzuziehen. Eine Legislaturperiode möchte ich mindestens noch dranhängen.

Bei Ihrer Amtsübernahme war das Vertrauen in den Sport erschüttert, oder?

2008 war das Vertrauen der Politik in den Sport kaputt. Dieses Vertrauen mussten wir erst wieder zurückerlangen. Wir mussten unsere eigene Struktur hinterfragen und nicht weiter wuchern lassen. Wir mussten den LSB mit seinen Strukturen und Gesellschaften zukunftsfähig aufstellen. Dazu gehörte auch, dass wir unser Personal mitnehmen. Auch da mussten wir Vertrauen erst wieder neu aufbauen. Es ging auch darum, einen Generationswechsel durchzuführen. Wir haben hier für frischen Wind sorgen können. Sechs Jahre danach können wir sagen: Wir sind durch ein Stahlbad gegangen und dabei, die Früchte zu ernten. Und dabei steht der Sportinhalt jetzt wieder absolut im Vordergrund unserer Arbeit.

Hat sich die Wahrnehmung des LSB auch außerhalb des Landes verändert?

Ja, ganz klar, Sachsen-Anhalt spielt im Bund eine ganz andere Rolle. Wir haben 2008 im föderalen System doch kaum noch stattgefunden. Und heute? Im März 2013 haben wir die Tagung der Landessportbünde in Magdeburg ausgerichtet. Im Moment hat Sachsen-Anhalt den Vorsitz der Konferenz der Landessportbünde inne. Das gab es seit 1990 noch nicht. Mit Dr. Petra Tzschoppe haben wir im LSB eine Frau, die im Dezember als Vizepräsidentin in das Präsidium des DOSB kommen möchte. 2017 könnte die Mitgliederversammlung des DOSB in Sachsen-Anhalt stattfinden. Wir übernehmen Verantwortung und das wird auch honoriert.

Ein Meilenstein war das Sportfördergesetz. Hat sich das Gesetz bewährt?

Das Sportfördergesetz war absolut richtig und gut. Durch die Pauschalförderung in drei Säulen weiß jeder Verein, Sportverband oder Kreis- und Stadtsportbund, was er an Geld bekommt. Das bietet Kontinuität und Ruhe. Selbstverständlich sagen wir: Je mehr Autonomie der Sport hat, desto besser ist es. Ich sage aber auch, dass wir auf dem Weg dorthin schon sehr, sehr gut vorangekommen sind. Die gefühlte Autonomie ist viel größer, als vor drei, vier Jahren, als wir ständig hinterfragt wurden. Im Bereich des Sportstättenbaus würden wir uns sicher wünschen, noch mehr eingebunden zu werden. Da ist es ganz wichtig, dass wir bei jeder Entscheidung mit am Tisch sitzen.

Wie steht es um die Finanzsituation des LSB?

Wir haben einen ganz schlanken Apparat und können heute sagen: Wir sind wirtschaftlich gesund aufgestellt. Mit unserer Sportschule in Osterburg haben wir zwar ein Kind, dem wir nach wie vor finanziell unter die Arme greifen müssen, das sich aber ebenfalls positiv entwickelt hat. Die Übernachtungszahlen liegen beständig bei ca. 30000 im Jahr. Wir versuchen weiter, neue Partner und Zielgruppen zu erschließen. Wir haben in Osterburg eine Auslastung von 52 bis 53 Prozent. Die 2009 mit dem Land getroffene Konsolidierungsvereinbarung (Anm. d. Red: der LSB zahlt jährlich 150000 Euro zurück) wird konsequent eingehalten. Im Stellenplan sind wir inzwischen für die Geschäftsstelle bei unter 30 Mitarbeitern und haben auch hier die Vorgaben der Politik eingehalten.

Die Strukturreform soll sicher nicht beim LSB enden, oder?

Wir wollen auch unsere Kreis- und Stadtsportbünde und die Landesfachverbände einbinden. Dort gibt es auch Strukturen, die seit vielen Jahren existieren und die zu hinterfragen sind, um zukunftsfähig für das Jahr 2020 zu sein. Mir liegt das Thema der Vereinsstruktur ganz besonders am Herzen. Ein Beispiel: In Schleswig-Holstein gibt es ca. 800000 Mitglieder in 2600 Vereinen. In Sachsen-Anhalt gibt es knapp 340000 Mitglieder in 3142 Vereinen. Bei uns haben Vereine durchschnittlich lediglich 107 Mitglieder. Es gibt keinen Grund für diese Zersplitterung. Die Mitgliedsbeiträge sind eine wesentliche Säule der Vereinsfinanzierung. Größere Strukturen bringen da nur positive Effekte mit sich, so sind Vereine mit vielen Mitgliedern finanziell unabhängiger. Das heißt nicht, dass man sich überall auf dem flachen Land zusammenschließen muss, aber ich glaube, Zusammenschlüsse sollten wir befördern.

Wie könnte eine Förderung aussehen?

Es muss ein Anreizsystem her. Das müssen wir im Rahmen der Vereinsförderung entwickeln. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass multifunktionale Sportstätten zur Verfügung stehen und keine Schulsporthallen geschlossen werden. Und wir brauchen genügend qualifizierte Übungsleiter für die nachgefragten Inhalte.

Wo sehen Sie den Spitzensport im Land zwei Jahre vor den Spielen von Rio?

Mit den Olympischen Spielen 2012 können wir nicht zufrieden sein. Sehr viel besser sahen wir da mit zwei Gold- und zwei Silbermedaillen bei den Paralympics aus. Ich glaube aber, seit London sind wir auf einem sehr guten Weg. Die Zusammenarbeit zwischen Sportlern, Trainerpool, Landes- und Spitzenverbänden, Landessportbund und Olympiastützpunkt ist heute deutlich besser. In diesem Jahr waren 32 Sportler aus Sachsen-Anhalt bei Europa- und Weltmeisterschaften am Start.

Wir werden nach Rio 2016 sicher kein riesengroßes Team entsenden können, aber wir haben aus heutiger Sicht die Chance, dass wir eine schlagkräftige Truppe schicken. Ich denke da an junge Athleten wie Philipp Syring, Julia Lier und Yul Oeltze, aber auch an erfahrene Athleten wie Paul Biedermann. 2015 wird ein ganz wichtiges Jahr, da es hier schon um die Quotenplätze gehen wird, die über den Start in Rio 2016 entscheiden.

Wie stellt sich der LSB zu den Olympia-Plänen des DOSB für 2024 oder 2028?

Zunächst ist es ganz wichtig, dass uns nicht noch einmal so ein Rohrkrepierer passiert wie bei der Bewerbung von München um die Winterspiele 2018. Deshalb muss die Bevölkerung frühzeitig in die Planungen eingebunden werden. Die Bundesrepublik ist ein Sportland und eine der führenden Sportnationen. Es stünde Deutschland deshalb sehr gut zu Gesicht, sich um die Ausrichtung Olympischer Spiele zu bewerben. Berlin und Hamburg wären dafür gute Adressen.

Die Beteiligung von Vereinen an Polizeikosten wird ebenfalls gerade intensiv diskutiert? Wie ist Ihre Position?

Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, Fußball-Vereine aus Sachsen-Anhalt direkt an den Kosten von Polizeieinsätzen zu beteiligen. In Sachsen-Anhalt spielen die besten Vereine in der 3. und 4. Liga und sind finanziell nicht gut ausgestattet. Anders sieht es für die Vereine in der 1. und 2. Bundesliga aus, wo es riesige Einnahmen aus TV-Geldern gibt. Hier könnte man darüber nachdenken, von den TV-Geldern eine Abgabe einzuführen, aus denen die Einsätze bezahlt werden.