1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. So verschwanden die Stendaler Akten

Staatsanwaltschaft sieht menschliches Versagen als Ursache So verschwanden die Stendaler Akten

Der Landtag wird sich mit dem Schreddern von Beweismaterial zum
Stendaler SparkassenSkandal befassen. Die Staatsanwaltschaft hält das
Vernichten der brisanten Unterlagen für menschliches Versagen. Politiker
sind empört.

Von Michael Bock und Marc Rath 25.09.2014, 01:04

Magdeburg l Der Sprecher der Magdeburger Staatsanwaltschaft, Frank Baumgarten, führt die brisante Vernichtung von Beweismitteln auf "menschliches Versagen" zurück. "Das ist ein schwerwiegender Fehler, eine Peinlichkeit ohnegleichen", sagt er am Mittwoch. Zugleich betont der Oberstaatsanwalt: "Dieser Vorfall ist nicht dazu geeignet, Verschwörungstheorien zu konstruieren."

Was aber hat sich ereignet am 5. September?

Die Geschichte spielt im Keller des Gebäudes der Staatsanwaltschaft. An jenem Freitag sollen mehr als 140 Umzugskartons mit Unterlagen aus einem anderen Verfahren in der Asservatenkammer "verstaut" werden. Es wird also Platz gebraucht. Eine Entsorgungsfirma aus Berlin ist bereits vor Ort, um nicht mehr benötigte und vom zuständigen Staatsanwalt zum Schreddern freigegebene Akten abzutransportieren. Auf Europaletten stehen Umzugskartons, in denen sich diese Unterlagen befinden. Auf den Kartons ist ein Aufkleber mit dem zum Verfahren gehörende Aktenzeichen.

Auf der Europalette daneben lagert Beweismaterial zum Stendaler Sparkassen-Skandal. Die Ordner sind ebenfalls in Umzugskartons verstaut. Dabei handelt es sich um 63 Ordner mit Originalbelegen, welche die Sparkasse im Januar zur sicheren Aufbewahrung nach Magdeburg geschickt hat. Dazu kommen gut zwei Dutzend weitere Ordner, die im Juli nachgereicht wurden.

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft packt der Asservatenverwalter - es gibt zwei, einer ist krank - sämtliches Material, auch alle Stendaler Ordner, in die mit Vorhängeschlössern gesicherten Blechcontainer der Entsorgungsfirma.

Wie kann so etwas passieren? Der Asservatenverwalter gilt in der Staatsanwaltschaft als "erfahren, sorgsam, verantwortungsvoll". War es die Hektik? Hat der Verwalter einfach nur einen schlechten Tag erwischt?

"Menschen machen Fehler", sagt Frank Baumgarten. Der Asservatenverwalter habe diesen Fehler auch eingeräumt. Der Verwalter bleibt erst einmal im Dienst, arbeitsrechtliche Konsequenzen werden geprüft. Dass jemand gezielt die Akten vernichtete, schließt Baumgarten aus: "Das ist völlig abwegig." Die Staatsanwaltschaft ist jetzt fieberhaft bemüht, Beweismaterial zu rekonstruieren. Gibt es Kopien? Ist noch etwas in Computern gespeichert?

"Diese unfassbare Panne unter dem Dach der Staatsanwaltschaft ist nicht hinnehmbar." - Eva von Angern, Rechtspolitikerin der Linken-Fraktion

Das Ermittlungsverfahren ist noch längst nicht abgeschlossen, sagt Baumgarten. Es sei abzuwarten, ob die Beweise ausreichten, den Tatverdacht zu untermauern. Die Staatsanwaltschaft erwägt, bei Aktenvernichtungen das Vier-Augen-Prinzip einzuführen. Zudem sollen die Kartons deutlicher gekennzeichnet werden.

In der Landes- und Kreispolitik schlägt die Geschichte hohe Wellen. "Das klingt alles wie in einem schlechten Wirtschaftskrimi", sagt Linken-Rechtspolitikerin Eva von Angern. "Diese unfassbare Panne unter dem Dach der Staatsanwaltschaft ist nicht hinnehmbar." CDU-Rechtspolitiker Ralf Wunschinski zeigt sich "zutiefst erschüttert". Justizministerin Angela Kolb (SPD) sagt: "Das ist ein äußerst bedauerlicher Vorgang."

Im Oktober befasst sich der Rechtsausschuss des Landtags mit der Angelegenheit.